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Alle Busse stehen still, wenn die ÖTV es will

■ Gegen die Privatisierung des ÖPNV protestierten gestern rund 350 Gewerkschaftler / Befürchtet werden die Absenkung sozialer Standards und Qualitätseinbußen

Zwischen fünf vor und fünf nach zwölf Uhr ging gestern nichts im Liniennetz der BSAG: Alle Busse und Bahnen standen still. Dafür trällerten rund 350 ÖTV-Gewerkschaftsmitglieder auf dem Bahnhofsplatz in ihre Trillerpfeifen. „Die Beschäftigten stehen nicht hier, um Sie zu ärgern“ rief der stellvertretende Vorsitzende des ÖTV-Bezirks Weser-Ems, Friedhelm Merkentrup, den Schaulustigen zu, „wir stehen hier in großer Sorge um die Zukunft des Nahverkehrs in Deutschland“. Die BSAG-Kunden nahmen's gelassen.

Wie in bundesweit mehr als 100 Städten gingen gestern die Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs auch in Bremen auf die Straße – aus Angst vor Liberalisierungen, die durch neue EU-Richtlinien drohen. Wenn nichts getan wird, drohe eine flächendeckende Privatisierung von Bus- und Straßenbahnlinien, warnen die Gewerkschaftler. Und das würde nicht nur bedeuten, dass die Löhne der Beschäftigten in den Keller sinken – derzeit geltende Sozialstandards stünden ebenso zur Disposition wie die Qualität der Busse, Umweltstandards, Lenk- und Ruhezeiten oder der Fortbestand schlecht genutzter Linien.

Die Forderung der Gewerkschaft landauf-landab: Die Landesparlamente sollen den vorhandenen Spielraum nutzen und Gesetze zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Nahverkehr erlassen. Darin könnten dann Standards festgelegt werden, die Dumpinganbietern keine Chance lassen. Die Zeit dränge: Im März will die EU eine Richtlinie erlassen, wonach EU-weite Ausschreibungen möglich werden, ohne dass solche Standards festgelegt sind. „Das können wir nicht hinnehmen“ sagt Merkentrup.

In vielen deutschen Kommunen sind Teile des ÖPNV längst in privater Hand. Spitzenreiter sei München mit einem Anteil von rund 30 Prozent, berichtet Immo Schlepper, ÖTV-Sekretär im Bezirk Weser-Ems. Bremen liegt bundesweit noch am Ende der Skala: Nur 3,6 Prozent der „Nutzwegekilometer“ dürfen hier privatisiert werden. Um diese Quote niedrig zu halten, sagt Schlepper, habe man in vergangenen Tarifverhandlungen weitreichende Zugeständnisse an die Arbeitgeber gemacht. Zwischen 2002 und 2007 laufen die Konzessionen für die einzelnen Strecken in Bremen aus. Dann steht eine Neuverteilung des Transport-Kuchens an.

Die BSAG steht unter besonderem Druck: Letzten Sommer attestierte ein Gutachten der C&L-Deutsche Revision im Auftrag des Bausenators, dass die BSAG im kommenden EU-Wettbewerb „nicht wettbewerbsfähig“ sei. Zu hohe Personalkosten, monierten die Gutachter, zu viele Fahrer, zu viele Mitarbeiter in der Verwaltung. Rund 32 Millionen Mark, wurde damals geschätzt, müsse die BSAG einsparen, um wettbewerbsfähig zu werden.

Die Bremer Grünen waren gestern die einzigen, die die Forderung der ÖTV nach qualitativen Mindeststandards im ÖPNV unterstützten. „Öffentliche Verkehrsunternehmen sollen sich auch in Bremen und Bremerhaven dem Wettbewerb stellen“ forderte der verkehrspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion, Dieter Mützelburg, „allerdings unter fairen Bedingungen“. Eine gesetzliche Festlegung von Rahmenbedingungen für die Privatisierung sei „unverzichtbar“. Christoph Dowe

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