: Keine Junge Freiheit an der Uni Potsdam
Wegen einer Anzeige der rechtsradikalen Wochenzeitung verbot der Uni-Rektor eine Zeitschrift des RCDS. Dagegen hat nun die „Junge Freiheit“ rechtliche Schritte eingelegt
Wolfgang Loschelder, der Rektor der Universität Potsdam, soll das Zensurverbot des Grundgesetzes verletzt haben. Dieser Vorwurf wird aber nicht von Studierenden oder Angestellten der Uni erhoben, sondern von außen: Die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) hat die Uni vor dem Verwaltungsgericht Potsdam verklagt und will im Eilverfahren feststellen lassen, ob Loschelder in die Grundrechte eingegriffen hat.
Kurz vor Weihnachten hatte der Rektor den Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) in Potsdam aufgefordert, die weitere Verbreitung der Ausgabe 3/1999 ihrer Zeitung Gaudeamus auf dem Uni-Gelände zu unterlassen und die bereits ausgelegten Exemplare einzusammeln. Der Grund: In der entsprechenden Ausgabe war eine Anzeige der Jungen Freiheit entschienen.
Während sich die christdemokratischen Studenten eilfertig ob des inkriminierten Vorwurfs entschuldigten, schlug der JF-Chefredakteur und Geschäftsführer Dieter Stein einen anderen Ton an. Das Verhalten von Loschelder, so Stein in einem Brief an den Rektor, stelle einen „Grundrechtseingriff“ dar – nicht nur gegen die Gaudeamus, sondern auch gegen die Junge Freiheit. Außerdem sieht das Blatt seinen Ruf geschädigt und will von Loschelder wissen, „wie Sie diese Rufschädigung auszuräumen gedenken“.
Stein wehrt sich insbesondere dagegen, dass die JF mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werde. Die Uni hatte sich bei ihrer Verfügung gegen Gaudeamus auf das Verwaltungsgericht Düsseldorf berufen. Dies hatte im Februar 1997 eine Klage der Zeitung gegen den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz abgewiesen und festgestellt, in der Zeitung gebe es „Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip“. Durch „für sich genommen nicht oder weniger bedenkliche Artikel“ wolle das Blatt aber „den Eindruck der Verfassungsfeindlichkeit verwischen“.
An der Universität Potsdam begegnet man der Steins Forderungen sowie der Klage der JF mit betonter Gelassenheit. Für das Rektorat, sagt Till Heyer-Stuffer, der hochschulpolitische Referent des Unipräsidenten, sei der Fall „nach dem Einsammeln der Zeitungsexemplare und der Entschuldigung des RCDS kein Thema mehr“. Auch eine Sprecherin des Amtsgerichts zeigte sich der taz gegenüber erstaunt über den Eilantrag der in Berlin verlegten Jungen Freiheit: Eine „besondere Dringlichkeit“ für das Anliegen der Zeitung könne sie nicht erkennen.
Die Studenten der Universität sehen hingegen durchaus Diskussionsbedarf. Sie kritisieren allerdings nicht Loschelders Vorgehen, sondern den RCDS für die Ausgabe der Gaudeamus.
Alle anderen im Studierendenparlament vertretenen Gruppen werfen den christdemokratischen Studenten vor, „völkisch-nationalistisches und revanchistisches Gedankengut in großem Umfang“ zu unterstützen. Neben der JF-Anzeige erschien in Gaudeamus ein Beitrag des Unions-Rechten Otto von Habsburg, weitere Artikel widmeten sich Friedrich dem Großen und Preußen „als Land des Deutschen Reiches“.
Der RCDS-Bundesvorsitzende Mario Voigt kann jedoch „kein Fehlverhalten“ der Potsdamer Ortsgruppe erkennen. Die CDU-nahe Studentenvereinigung stehe fest zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Auch die JF-Anzeige sei nicht kritisierenswert, die Reaktion von Universität und Studierendenparlament „völlig überzogen“. Ähnlich sieht das auch die Brandenburger CDU, die zugleich auf Distanz geht. So legt Pressesprecher Stephan Goericke großen Wert darauf, der RCDS sei keine Gliederung der CDU, sondern ein eigenständiger Verband.
Die Union in Brandenburg ist in der Vergangenheit schon häufiger durch die Rechtslastigkeit ihrer Mitglieder aufgefallen. Kreistagmitglied Rudolf Heckel sorgte vergangenes Jahr beispielweise mit einer Anfrage an das Gesundheitsamt für Schlagzeilen: „Wie verhält es sich mit der Einschleppung von Läusen durch Asylbewerber und Illegale?“, wollte er wissen. Und in der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union tauchten Anfang der der Neunzigerjahre einige Brandenburger Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen Nationalistischen Front als Mitglieder auf. Im Landkreis Teltow-Fläming brachte es einer von ihnen gar zum stellvertretenden Kreisvorsitzenden.
Zuletzt sorgte der CDU-Landesvorsitzende Jörg Schönbohm durch ein Interview in der Jungen Freiheit für Aufsehen. Für den presserechtlich Verantwortlichen von Gaudeamus und bisherigen Vorsitzenden des RCDS Potsdam, Joachim Schmidt, Anlass genug, die JF-Anzeige zu verteidigen. Gleichzeitig betont er allerdings, er habe die umstrittene Ausgabe vor Veröffentlichung nicht gekannt. Die Anzeige sei nur aufgrund von Geld- und Zeitnot des RCDS ins Blatt gehoben worden. Künftig werde der Studentenverband auf Inserate der extrem rechten Wochenzeitung verzichten – „um das Ansehen des RCDS vor Schaden zu bewahren“.
Nach Informationen der taz steht Schmidt seit mehr als fünf Jahren auf der Bezugsliste der Jungen Freiheit – angeblich ohne es zu wissen: Er habe die Zeitung nicht abonniert, erklärte er der taz.
Mittlerweile ist Schmidt nicht mehr Vorsitzender des Potsdamer RCDS. Bei den Vorstandswahlen Anfang Februar war er nicht mehr angetreten. Der 30-Jährige will sich nun auf sein Politikstudium und auf seine Laufbahn bei der Berliner CDU konzentrieren: Er ist Bezirksverordneter in Treptow.
Dirk Hempel
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen