: Benimmregeln für die Wirtschaft
Spitzenmanager wollen die Unternehmenskontrolle verbessern und legen einen Kodex zur Corporate Governance vor. Die „private Initiative“ ärgert Funktionäre ■ Von Beate Willms
Berlin (taz) – Als der damalige Mannesmann-Vorstandschef Joachim Funk seinen Job vor knapp einem Jahr an Klaus Esser abgab, war völlig klar, dass er dafür mit dem Aufsichtsratsvorsitz belohnt werden würde. Ähnlich wie ein paar Jahre zuvor bei Holzmann-Boss Hermann Becker, der ebenfalls vom Macher zum Kontrolleur befördert wurde. In anderen Aufsichtsräten herrschen ähnlich laxe Sitten. In den jährlichen Berichten wird nur das Datum aktualisiert, die Mitglieder schwänzen gerne mal eine Sitzung, oder diejenigen, die dem Vorstand näher stehen, sind besser informiert als die Vertreter der Arbeitnehmer.
Kein Wunder, mag man da denken, wenn es zu Management-Skandalen wie bei Holzmann kommt. Kein Wunder auch, dass Politiker aller Parteien auf restriktivere Gesetze dringen, um die Kontrollmöglichkeiten in Kapitalgesellschaften zu verbessern. Auch Topmanager zeigen sich unzufrieden. Als Maßnahme ziehen sie allerdings eine Art Selbstverpflichtung vor. Zehn führende Wirtschaftsvertreter, darunter Veba-Chef Ulrich Hartmann und SGL-Vorstandsvorsitzender Robert Koehler, haben deshalb einen Kodex mit dem Titel „Corporate Governance-Grundsätze“ vorgelegt. Statt von „Begrenzung der Bankenmacht“ wie in der jüngsten Gesetzesinitiative der Grünen (taz vom 2.2.) ist darin die Rede von „erfolgsorientierter Unternehmensleitung und verantwortlicher Unternehmensüberwachung“. Trotzdem tendieren die Vorgaben in eine ähnliche Richtung. Nur die Begründung klingt anders: Wenn man das Vertrauen der eigenen Aktionäre behalten und das von Anlegern gewinnen wolle, könne man sich mangelnde Transparenz nicht leisten.
„Man muss nicht auf jede Pleite mit dem Ruf nach dem Gesetzgeber reagieren“, sagt denn auch Dieter Feddersen, der mehrere Aufsichtsratsmandate, darunter den Vorsitz bei der Bankgesellschaft Berlin, innehat und als Mitglied der „Grundsatzkommission Corporate Governance“ an der Erstellung des Kodexes beteiligt war. Mit Geheimniskrämerei tue man sich aber auch keinen Gefallen.
Dass sich die Transparenz auszahlt, belegt beispielsweise eine McKinsey-Studie, nach der Investoren bereit sind, für Unternehmen mit besserer Corporate Governance zwischen 11 und 16 Prozent mehr zu zahlen.
Vorbild der Grundsatzkommission waren angloamerikanische Standards, die Aktionären, Beschäftigten und interessierter Öffentlichkeit einen schnellen Überblick über die „hard and soft facts“ verschaffen. „Da die großen Kapitalmärkte der Welt immer mehr zusammenwachsen, ist es nur logisch, dass die gewichtigen Investoren die Unternehmen weltweit systematisch nach einheitlichen Kriterien überprüfen und beurteilen“, so Christian Strenger, Mitbegründer der Grundsatzkommission und auch Mitglied in diversen Vorständen und Aufsichtsräten.
Nach den Grundsätzen müssen die Unternehmen alle Informationen, die den Börsenwert betreffen könnten, sofort veröffentlichen und alle Anträge zu den Hauptversammlungen ins Internet stellen. Beim Kauf eigener Aktien wie auch bei der Informationsversorgung soll es künftig keine Unterschiede zwischen Kleinanlegern und Großaktionären geben. Spenden ab einer bestimmten Höhe müssen im Aufsichtsrat behandelt werden. Strenger: „Das stellt den Vorstand unter einen ganz anderen Begründungszwang.“
Überhaupt sollen die Aufsichtsräte stärker auf ihre Kontrollaufgabe verpflichtet werden. Die Übernahme von ehemaligen Vorständlern wäre dann nicht mehr selbstverständlich. Zu häufiges Fehlen bei Sitzungen soll im Geschäftsbericht, Aktienbesitz der Aufsichtsräte im Jahresabschluss vermerkt werden. „Selbstverständlich müssen die Unternehmen die Grundsätze für sich selber maßschneidern“, so Strenger. Aufsichtsratsausschüsse zu den Bereichen Personal, Bilanz, Prüfung oder Strategien seien nur in größeren Firmen sinnvoll. Ein Start-up an der Neuen Börse dagegen habe womöglich nur drei Aufsichtsratsmitglieder – und drei ist die Mindestteilnehmerzahl für Ausschüsse. Laut Strenger basieren zwei Drittel der Grundsätze auf schon bestehenden Gesetzen, ein Drittel geht darüber hinaus.
Die Grundsatzkommission sei auf „private Initiative“ hin und in nur dreieinhalb Monaten entstanden, so Strenger. Sie hat den fertigen Kodex ins Internet gestellt und erwartet regen Zuspruch. „Wenn immer mehr Unternehmen die entsprechenden Informationen der Öffentlichkeit durch Einstellung ins Internet zugänglich machen, kann sich die Konkurrenz nicht mehr entziehen.“ Je bekannter die Grundsätze würden, desto öfter müssten sich Verweigerer die Frage gefallen lassen, wieso sie nicht die gleiche Transparenz pflegten.
Die Kommissionsmitglieder können sich sogar vorstellen, dass die Einhaltung der Grundsätze sanktioniert wird. Im Begleittext zu den Grundsätzen heißt es: „Zur Förderung der Durchsetzung können auch von der Börse aufgestellte Zugangskriterien zu einzelnen Marktsegmenten oder Indizes beitragen.“
Nicht zuletzt dieser Punkt – aber auch die eigenmächtige Aktion einzelner Industriemanager – fuchsen den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der weder an der Erstellung der Grundsätze beteiligt noch überhaupt darüber informiert war. „Für derartige Kommissionen, in denen die Betroffenen fehlen, sehe ich keine Legitimation“, so BDI-Referent Peter Wiesner. „Genauso gut könnte man festlegen, dass alle Menschen sich die Nase vergolden lassen müssten.“ Ohnehin sehe er derzeit keinen Handlungsbedarf. Schließlich gebe es gesetzliche Regelungen. Und das Kontrakt- und Transparenzgesetz (KonTraG) sei noch in der Umsetzungsphase, sodass die Wirkungen noch gar nicht absehbar seien. Auf den Fall Holzmann habe es beispielsweise noch gar nicht angewandt werden können.
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