: Das Ende einer Verlegenheitsgeste
Die Bundeswehr beendet ihren umstrittenen Sanitätseinsatz in Osttimor
Berlin (taz) – Nach 128 Tagen ist gestern der Osttimor-Einsatz der Bundeswehr formal beendet worden. Wie das Bundesverteidigungsministerium mitteilte, soll die Rückverlegung der beiden deutschen Transall-Transportflugzeuge am Samstag beginnen. Der Rücktransport von Personal und Material ist für die letzten beiden Februartage geplant.
Die Bundeswehr hatte im Oktober 72 Soldaten im nordaustralischen Darwin stationiert, die im Rahmen der multinationalen Interventionstruppe Interfet Verwundete aus Osttimor ausfliegen sollten. Die deutschen Soldaten, unter ihnen 25 Sanitäter, flogen bei 49 Einsätzen insgesamt 230 Verwundete und Kranke aus. Nur drei Flüge erfolgten zur schnellen Evakuierung lebensbedrohlich Erkrankter. Das Verteidigungsministerium konnte auf Anfrage der taz keine genauen Kosten des Bundeswehreinsatzes nennen. Die Kosten seien aber wegen der geringeren Mannschaftsstärke, weniger Flügen und ausgebliebener größerer Reparaturen niedriger als die zunächst veranschlagten fünf Millionen Mark pro Monat, so ein Sprecher des Ministeriums.
Mit dem deutschen Einsatz endete gestern auch formal der Einsatz der Interfet-Truppe, die unter australischer Führung und mit UN-Mandat seit Ende September im ehemals indonesisch besetzten Osttimor für Ordnung sorgt. Interfet wurde gestern durch die rund 9.000 Mann starke Blauhelmtruppe Untaet abgelöst. Sie steht unter philippinischem Kommando und setzt sich aus Soldaten aus 23 Nationen zusammen.
In einem deutschen Tagesbefehlt bedankte sich Interfet-Oberbefehlshaber Peter Cosgrove für den deutschen Einsatz. Die Soldate der Bundeswehr hätten eine besonders positive psychologische Wirkung auf den Einsatzwillen der multinationalen Truppe in Osttimor gehabt, so Cosgrove. „Auftrag erfolgreich beendet“, lautete sein Fazit. Auch das Bundesverteidigungsministerium wertete den Einsatz als erfolgreich. Er habe „politisch und militärisch zu einer Verbesserung der Situation geführt“, heißt es in einer Erklärung.
Der Bundeswehreinsatz war am 7. Oktober im Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen worden. Nur die PDS-Fraktion stimmte dagegen und forderte die Mittel stattdessen für humanitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen zu verwenden. Zuvor hatte Außenminister Joschka Fischer (Bündnisgrüne) ohne parlamentarische Rücksprache vor der UN-Vollversammlung den Einsatz versprochen, wofür er in Berlin viel Kritik erntete. Selbst im Bundeskabinett war der Einsatz zunächst umstritten, weil Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) die Ausgaben nicht aus seinem Etat bestreiten wollte.
Der PDS-Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner, der im vergangenen Jahr Osttimor besuchte, sieht sich in seiner Kritik am Bundeswehreinsatz bestätigt. „Der Einsatz war Geldverschwendung und militärisch nicht nötig“, so Hübner zur taz. Nach seiner Rechnung habe der Transport von Verwundeten und Kranken pro Person über 100.000 Mark gekostet. „Man hätte das Geld sinnvoller einsetzen können“, sagte Hübner. So komme das technische Hilfswerk in Osttimor trotz Anforderung der UNO nicht zum Einsatz, weil die finanzielle Grundlage fehle. Hübner kritisierte, dass das zivile Engagement der Bundesregierung in Osttimor weiter hinter dem militärischen Einsatz zurückbleibe.
Kritisch sieht den Bundeswehreinsatz in Osttimor auch die Berliner Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia. „Der Einsatz war eine Verlegenheitsgeste, die darüber hinwegtäuschen sollte, das im Vorfeld die deutsche Politik gegenüber Indonesien und Osttimor völlig versagt hat“, sagte Monika Schlicher der taz. Sie bezeichnete den Bundeswehreinsatz auch als „Kosmetik“. Es sei bei dem Einsatz nie um die Osttimoresen gegangen. Die Hauptaufgabe der deutschen Sanitäter sei die Versorgung der Interfet-Soldaten gewesen. Die Gesundheitsversorgung in Osttimor sei weiterhin mangelhaft. Sven Hansen
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