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Schlecht geheuchelt ■ Schulsenator instrumentalisiert Islam-Urteil
Klaus Böger ist kein guter Schauspieler. Die Bestürzung des SPD-Schulsenators über das Gerichtsurteil, das der umstrittenen Islamischen Föderation den Weg ins Klassenzimmer ebnet, war schlecht geheuchelt.
In Wahrheit kommt der Richterspruch dem Senator zupass. Er wittert Morgenluft für sein Projekt, den freiwilligen Religionsunterricht in kirchlicher Verwantwortung durch ein Pflichtfach Ethik/Religion zu ersetzen: Nur mit einem solchen Modell, so des Senators Argument, ließen sich fundamentalistische Gruppen aus den Schulen aussperren. Doch damit führt Böger das Publikum in die Irre. Die Islamische Föderation hätte sich auch dann in die Schulen einklagen können, wenn der Religionsunterricht „ordentliches Lehrfach“ wäre. Denn auch dort, wo dieses Fach – mit der Alternative Ethik – obligatorisch ist, wird es „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt“: So steht es im Grundgesetz. Der Staat hat lediglich ein Aufsichtsrecht. Er überwacht die Ausbildung der Lehrer und redet bei den Lehrplänen mit. Nicht einmal das, so lamentiert der Schulsenator, könne er beim Berliner Modell des freiwilligen Religionsunterrichts tun.
Im aktuellen Fall freilich fehlten nicht die Gesetze, sondern deren Anwendung durch Bögers eigene Verwaltung. Denn auch nach Berliner Recht muss jede Form des Religionsunterrichts auf dem Boden der Verfassung stehen. Daran gibt es bei der Islamischen Föderation begründete Zweifel. Die Schulbehörde aber zeigte sich unfähig, die nötigen Indizien vor Gericht zu präsentieren. Die peinlichen Auftritte der Beamten trieben selbst die Richter zur Verzweiflung. Böger folgt also einmal mehr dem Grundmuster des Politikers, der bestehende Normen nicht anwendet und dann nach schärferen Gesetzen ruft.
Das eigentliche Versäumnis seiner Vorgänger Ingrid Stahmer (SPD) und Jürgen Klemann (CDU) liegt aber woanders. Längst hätten sie ein Modell für einen islamkundlichen Unterricht auf freiwilliger Basis entwickeln müssen, der allen Glaubensrichtungen gerecht wird. Das wäre jetzt Bögers Aufgabe; mit der Debatte um ein Pflichtfach hat das nichts zu tun. Ralph Bollmann
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