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Der fesche Jörgl im braunen Netz

FPÖ-Chef Jörg Haider tummelt sich seit Jahren in der deutschen und österreichischen rechtsextremen Szene.Er fordert die Gründung einer deutschen Partei nach dem Vorbild seiner „Freiheitlichen“ ■ Von Anton Maegerle

Berlin (taz) – Wer ist Jörg Haider? Ein „gut gelauntes, höfliches, wohlerzogenes Nachkriegskind“ sei der österreichische FPÖ-Chef, befindet die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit. Klar, dass der stets braun gebrannte „Jörgl“ derselben Auffassung ist, er sei kein „Rechtsradikaler“, beteuert er. Vielmehr hält er sich für eine „österreichische Sonderanfertigung“.

Haider ist tief ins braune Netz verstrickt, er pflegt seit vielen Jahren beste Kontakte zu bundesdeutschen Rechtsextremisten. Diejenigen unter ihnen, die, angetan von seinem Erfolg, eine Art FPÖ gründen wollen, dürften auf seine Unterstützung hoffen, versichert Haider in Interviews.

Seit Jahren trifft er sich mit Rechten aus Deutschland jedweder Coleur. Bereits im Mai 1993 rief er in Berlin dem national gesinnten Kreis „Das Dienstags-Gespräch“ zu: „Deutschland bräuchte eine Partei wie die Republikaner.“ Mit solchen Äußerungen hält Haider sich zwar mittlerweile öffentlich zurück. Seine Szenekontakte lässt er jedoch nicht abreißen.

Im September vorigen Jahres traf er sich noch mit REP-Vize Christian Käs, der für die Öffnung seiner Partei bis hin zum neonazistischen Rand plädiert. Haider gab in Innsbruck Käs’ „Radio Internet“ ein Interview. Nach seiner zeitweiligen Unterstützung des nunmehr gescheiterten rechtspopulistischen „Bundes Freier Bürger“ (BFB) fordert der FPÖ-Chef jetzt den Zusammenschluss aller deutschnationalen Gruppierungen zu einer Partei. In der Jungen Freiheit führte Haider am 28. Januar dieses Jahres auf die Frage nach einer FPÖ-Gründung in der Bundesrepublik aus: „Ich könnte mir vorstellen, dass natürlich jetzt ein sehr günstiger Zeitpunkt wäre. Wenn sich die zum Partikularismus und zum Eigenbrötlertum neigenden freiheitlichen Gruppierungen in Deutschland einigen würden, dann wäre das eine ganz bedeutende politische Kraft.“

In der Jungen Freiheit stellt sich Haider meist den Fragen seines langjährigen Freundes und engsten politischen Weggefährten Andreas Mölzer. Ihn machte Haider voriges Jahr nach der gewonnenen Wahl in Kärnten zum kulturpolitischen Berater seiner Landesregierung. In rechtsextremen Kreisen hat Mölzer seit langem seinen festen Platz. 1992 warnte der Haider-Kumpan beispielsweise vor einer „drohenden Umvolkung der deutschen Volks-und Kulturgemeinschaft“ durch unerwünschte Zuwanderer aus dem Osten. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen Mölzer wegen Leugnung des Holocaust. Als presserechtlich verantwortlicher Chefredakteur der Wochenzeitung Zur Zeit, dem österreichischen Pendant zur Jungen Freiheit, muss er sich für einen Artikel des Autors Hans Gamlich verantworten. Darin leugnet Gamlich unter anderem die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich und Massenvergasungen mittels Zyklon-B. Den Überfall auf die Sowjetunion interpretiert er zu einer „notwehrhaften Präventivaktion [...] zum Schutz Europas“ um.

Bis zu seiner Wahl zum Kärntner Landeshauptmann nahm Haider regelmäßig am „Ulrichsbergtreffen“ bei Klagenfurt teil. Dieses Treffen wird von der 1958 gegründeten „Ulrichsberggemeinschaft“ organisiert, in der Funktionäre der SS-Veteranenorganisation „Kameradschaft IV“ den Ton angeben. Sie seien „anständig“ versicherte Haider den deutschen und österreichischen SS-Vetranen vor fünf Jahren. Wegen seiner Rede vor diesem Kreis wurde Haider angezeigt. Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung jedoch ein.

Zuletzt kam Haider 1998 zum „Ulrichsbergtreffen“. Regelmäßig anwesend bei diesen Treffen und den am Abend zuvor stattfindenden Kameradschaftstreffen waren bis in die jüngste Zeit die Nazi-Ikonen Florentine Rost van Tonningen und Gudrun Burwitz. Burwitz, die als Tochter des Reichsführers SS Heinrich Himmler in NS-Kreisen großes Ansehen genießt, ist eng mit Rost van Tonningen befreundet. Deren Mann, Meinoud Marinus (NS-Kollaborateur, Sturmbannführer der Waffen-SS) war während der deutschen Besetzung Präsident der niederländischen Nationalbank. In der niederländischen Villa von Rost van Tonningen fanden über Jahre hinweg Versammlungen der militanten deutschen Neonazi-Gruppierung „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Font“ statt.

Nicht nur der Jungen Freiheit gewährt Haider regelmäßig ein Interview. Auch dem führenden ideenpolitischen Organ der Rechtsextremisten, Nation und Europa, gab er 1996 Auskunft. Und dem revanchistischen „Schulverein zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreußen e. V.“ sandte er zu dessen Jahreshauptversammlung eine Grußbotschaft.

Als Mitautor des 1995 im Hohenrain-Verlag erschienenen Sammelbandes „50 Jahre Vertreibung. Der Völkermord an den Deutschen“ befindet sich Haider in bester brauner Gesellschaft. Autoren des Sammelbandes sind der Chef der „Deutschen Volksunion“ (DVU), Gerhard Frey, und der Ex-REP-Vorsitzende Franz Schönhuber. Haider weiß in seinem Beitrag zu berichten: „Sechs Millionen Arbeitslose in Deutschland, sechshunderttausend in Österreich standen vor dem Nichts. Hier hat der Nationalsozialismus seine Chance erkannt und genutzt. Nicht mit liberalen Wirtschaftsrezepten, aber effizient.“

Haiders jüngster Appell, rechts von den Unionsparteien eine neue Partei nach dem Vorbild der FPÖ zu formen, wird von der braunen Szene dankbar aufgenommen. Schon 1992 half er rechten Splitterungen, sich in Deutschland zu artikulieren. Der rechte Flügel der Freidemokraten in Stuttgart-Bad Cannstatt war von Haiders Wortgewalt derart begeistert, dass sich Einzelne aus dem FDP-Verband abspalteten und den „Cannstatter Kreis“ gründeten – zwischenzeitlich ein bedeutender Think-Tank im rechtsextremen Lager in Südwestdeutschland und Beobachtungsobjekt des baden-württembergischen Verfassungsschutzes.

In Sachsen-Anhalt haben abtrünnige DVU-Landtagsabgeordnete Jörg Haiders Worte bereits umgesetzt. Nach dem Vorbild von Haiders „Freiheitlichen“ in Österreich gründeten sie eine „Freiheitliche Deutsche Volkspartei“, die nun bundesweit tätig werden soll.

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