piwik no script img

Weitere Zyanidquelle in Rumänien

■ Großes Stahlwerk soll seit Jahren hohe Mengen Zyanid in die Donau leiten. UN-Kommission beginnt Untersuchungen. Neue Flussverschmutzung durch Farbstoffe

Berlin (taz) – Die Zyanid-Giftwelle hat am Wochenende das Donaudelta in Südostrumänien erreicht. Die Zyanid-Konzentration des Wassers betrug dabei noch immer knapp das Fünffache des in Rumänien erlaubten Grenzwertes. Im Donaudelta sowie in den Großstädten Braila und Galati wurden die Trinkwasserversorgung unterbrochen, ein Fischfangverbot erlassen und Schulen geschlossen. Die Maßnahmen sollen bis Mitte dieser Woche gelten. Rumänische Experten schätzen, dass die Zyanid-Giftwelle durch ihre Verdünnung keine große Gefahr für das Delta darstellt. Teilweise wurde die Trinkwasserversorgung entlang der Donau wieder aufgenommen.

In der nordwestrumänischen Stadt Baia Mare, wo der Zyanid- Giftunfall vor vier Wochen begann, als aus den Klärbecken der australisch-rumänischen Goldfabrik „Aurul“ 100.000 Kubikmeter Zyanid-Abwässer ausflossen, traf am Wochenende eine UN- Expertenkommission ein, die den Unfall untersuchen will. Die 24-köpfige Kommission will auch in Ungarn und Serbien Untersuchungen vornehmen und in etwa drei Wochen einen Bericht zu dem Giftunfall vorlegen.

Unterdessen kam in Rumänien der Verdacht auf, dass das Stahlkombinat Sidex in der Stadt Galati, eines der größten Stahlwerke in Europa, die Donau ebenfalls mit Zyanid verschmutzt. Das Zyanid entsteht unter anderem als Abfallprodukt aus der Koksverbrennung und wird beim Stahlkombinat Sidex in eine Kläranlage eingeleitet. Die geklärten Abwässer werden dann angeblich mit einer Zyanid-konzentration, die unter dem offiziellen Grenzwert liegt, in die Donau und ihren Nebenfluss Siret eingeleitet. Das Umweltamt hatte letzte Woche im Siret eine erhöhte Zyanid-Konzentration gemessen, das Messergebnis dann aber für falsch erklärt. Der Direktor des Umweltamtes Galati, Gheorghe Tudosescu, sagte der taz, es seien Wasserproben aus Klärbecken mit denen aus dem Siret verwechselt worden. Die Leitung des Sidex-Werkes wollte zu dem Vorfall keine Stellung nehmen.

Der ehemalige Staatssekretär im rumänischen Umweltministerium, Botond Kiss, derzeit Biologe am Donaudelta-Forschungsinstitut in Tulcea, sagte der taz, es sei vorstellbar, dass das Stahlkombinat Sidex Zyanide in den Siret und die Donau einleite. Das Werk habe vor 1989 ohne Rücksicht auf Umweltverschmutzung gearbeitet und nach 1989 kaum in Umweltschutzmaßnahmen investiert. Kiss wies auch darauf hin, dass beim Aluminiumkombinat in Tulcea mehrere Millionen Kubikmeter hochtoxischer Metalloxidschlämme lagern, von denen ein Teil vor zwei Jahren schon einmal in die Donau gelangt sei. Giftlösungen und -schlämme aus der Industrieproduktion stellten überall in Rumänien ein großes Problem dar, so Kiss.

Unterdessen kam es in dem nordwestrumänischen Fluss Crasna, der auf ungarischem Gebiet in die Theis mündet, am Wochenende zu einem weiteren Unfall. Am Wochenende zeigte der Fluss bei dem Ort Simleul Silvaniei über mehrere Kilometer eine rosarote Farbe. Rumänische Behörden konnten bis gestern noch nicht klären, welche Substanz den Fluss verschmutzt hat, gehen aber davon aus, dass es sich um ungefährlichen roten Farbstoff handelt.

Keno Verseck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen