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Religion gegen die gesellschaftliche Verunsicherung

Die baden-württembergische Kultusministerin Schavan wirbt für Religion als Pflichtfach

Annette Schavan hat 2.000 Jahre christliche Tradition und dasGrundgesetz hinter sich. Mit diesen Waffen bemühte sich die CDU-Kultusministerin Baden-Württembergs am Montagabend, den Berlinern Religionsunterricht als Pflichtfach schmackhaft zu machen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern ist Religion in der Haupstadt ein freiwilliges Fach ohne Benotung. Ihr Einsatz galt auch dem Islam-Unterricht, der seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von vergangener Woche in Berlin angeboten werden kann.

Um diesen Brückenschlag kirchenintern zu erläutern, trat sie in der Katholischen Akademie an – ein leichtes Spiel, denn außer als stellvertretende Vorsitzende der Bundes-CDU reiste die Ministerin als Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Katholiken an.

Zu Beginn polierte die 45-Jährige das Bild vom angestaubten Religionsunterricht in der gottlosen Hauptstadt auf. Kirche sei ein Garant für Ethik im Staat. „Ich bin leidenschaftlich für Religionsunterricht“, sagt die einstige Theologiestudentin, die vor anderthalb Jahren bekannt wurde, weil sie eine junge Lehrerin am Unterrichten hinderte, da diese ein Kopftuch trug. Lebenskunde/Ethik/Religion (LER) wie in Brandenburg praktiziert, erregte dagegen das Missfallen von Schavan. Dies sei „wie Erlebnisgesellschaft“. Schavan plädierte an diesem Abend auch für eigenständigen Islam-Unterricht. Deutschlands Kirchen sollen pluralistisch denken, die muslimischen Gruppen sich dafür in der deutschen Schulpolitik organisieren. Schulen und Muslime sollen sich „ganz, ganz langsam“ finden, bis die islamischen Gruppen auf „die feinen Unterschiede“ pfeifen und muslimische Eltern ihre Kinder gerne zu diesem „Konsensunterricht in deutscher Sprache und Kontrolle schicken“ und nicht zur Koranschule. „Alles andere ist desintegrierend“, sagte Schavan.

Der Theologe Josef Göbel vom Berliner „Aktionsbündnis gegen Wahlpflichtfach Religion/Ethik“ forderte dagegen kirchliches Umdenken – für ihn ist Religion Bildungsgut und muss nicht mehr bekenntnishaft vermittelt werden. Schavan erklärte daraufhin, dass eine Entfernung von Gott nicht ohne Schaden am Intellekt einhergehen kann.

Das sahen auch die Zuschauer auch so, doch Berlin ist nicht gleich Baden-Württemberg. Einen von ihnen störte es, dass die idealistische Kultusministerin das Schwabenländle und Berlin miteinander vermische. Die Bevölkerungsstruktur sei anders in Berlin. „Allgemeindiskussion“ würde hier nicht weiterhelfen. „Es muss doch aber möglich sein, in dieser Hauptstadt ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion zu schaffen“, fragte sich Schavan an diesem Abend immer wieder und betonte, dass die Religion gegenüber der breiten gesellschaftlichen Verunsicherung eine Verantwortung habe.

Magret Steffen

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