: Rechte Schläger dürfen sich in Halle bewähren
Wegen eines brutalen Überfalls auf einen Afrikaner wurden zwei Jugendliche verurteilt
Berlin (taz) – Halle, am 1. September 1998: Dreizehn junge Männer im Alter von 17 bis 21 Jahren verabreden sich, um einen angeblich drohenden Überfall linker Jugendlicher abzuwenden. Man sitzt rum, trinkt, wartet. Doch es passiert nichts. Die Truppe beschließt, mit der S-Bahn in die Plattenbausiedlung Halle-Neustadt zu fahren. Im Zug sitzt ein Mosambikaner.
Die Jungs sind in der „richtigen“ Stimmung. Zuerst pöbeln sie bloß. Dann, als der heute 32-jährige Afrikaner aussteigt, jagen sie ihn um die Häuserblocks. „Ich bin nur noch um mein Leben gelaufen“, erinnert sich Xaver V. Doch es nützt nichts: Er wird brutal zusammengeschlagen, mit einem Messer verletzt. Die linke Hand wird ihm gebrochen, ein Stich trifft sein Auge.
Wegen schwerer, gemeinschaftlicher Körperverletzung verurteilte am Montag das Landgericht Halle einen heute 19- und einen 20-Jährigen zu 18 beziehungsweise 20 Monaten Haft. Allerdings setzte die zuständige Kammer die Jugendstrafe zu einer dreijährigen Bewährung aus, weil die Verurteilten den „glaubhaften Versuch, ein neues, rechtschaffenes Leben zu beginnen“ nachweisen konnten, wie die Richter begründeten. Die Jugendlichen hatten ausgesagt, ihrer rechtsextremen Gesinnung abgeschworen, sich um Arbeit beziehungsweise Ausbildung gekümmert zu haben. Außerdem entschuldigten sie sich bei ihrem Opfer und legten ein umfassendes Geständnis ab. Zudem müssen die Verurteilten jeweils 5.000 Mark an das Opfer zahlen und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Damit entsprachen die Richter nahezu den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Zwölf der damals Beteiligten sind bereits verurteilt – drei von ihnen zu Haftstrafen zwischen zwei und viereinhalb Jahren. Ein Verfahren ist noch anhängig, ein weiteres liegt nach Revision beim BGH.
Xaver V. erhält von den Verurteilten insgesamt 50.000 Mark Schmerzensgeld. Wegen des Verlustes seines Augenlichtes musste der Vater von vier Kindern seinen Job als Lackierer aufgeben. „Das Gericht hat sich bei dieser Summe an der im Volksmund als Knochentabelle bezeichneten Schmerzgeldrichtlinie orientiert“, erklärt Richter Wolfgang Ehm, Sprecher des Landgerichtes. Unabhängig davon könne das Opfer Schadenersatz einklagen.
Der mit einer Deutschen verheiratete Afrikaner war vor zwölf Jahren in die DDR geholt worden, um im Waggonbau Ammendorf zu arbeiten. Als Zeuge vor Gericht geladen, sagte er: „Ich muss jetzt immer mit der Erinnerung an den Überfall, mit der Angst vor Wiederholung leben“. Nick Reimer
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