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Neues von Radio Mypegasus

■ Trotz Etatkürzung von 50 Millionen Mark malt Radio Bremen-Chef Heinz Glässgen einen Silberstreif an den Sender-Horizont

Bei Radio Bremen (RB) gibt es ein neues Zauberwort. Es heißt Medienkompetenzzentrum und ist das Lieblingswort von Heinz Glässgen, dem Intendanten des kleinsten ARD-Senders. Medienkompetenzzentrum erinnert ein bisschen an „Mypegasus“, die in Folge des Vulkan-Crashs gegründete Beschäftigungsgesellschaft. Und wie „Mypegasus“ soll auch die von Glässgen geplante neue RB-Tochter den 620 festen und den verbliebenen rund 200 freien MitarbeiterInnen des Senders die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust nehmen.

„Radio Bremen ist das Medienkompetenzzentrum“, erklärte der durch Gremiensitzungen, Arbeitskreise und Pressekonferenzen so richtig warm geredete Glässgen auch gestern der aus allen Nähten platzenden Betriebsversammlung. Damit predigt er den Leuten einen Silberstreif an den pechschwarzen Horizont. Bekanntlich streichen ARD-Intendanten und MinisterpräsidentInnen unserem Heimatsender bis 2006 Schritt für Schritt 50 Millionen Mark oder über ein Viertel seines Etats. Ungezählte Arbeitsgruppen und die Unternehmensberatung Roland Berger haben den vom NDR nach Bremen geholten Glässgen deshalb mit Tabellen und in großer Schrift bedruckten Blättern (so genannten „Charts“) ausgestattet. Und mit deren Hilfe vermittelt der RB-Chef nunmehr eine einzige Botschaft: „Radio Bremen ist in der schwierigsten Phase seiner Geschichte, aber der Sender hat eine Zukunft.“ Und wer im Sender nicht mehr gebraucht wird, darf nach Umschulung, Fortbildung und Hilfen zur Existenzgründung ins RB-Medienkompetenzzentrum in HB-Osterholz und für den freien Markt produzieren – denn „der Medienmarkt boomt ja“.

Einen Sanierer wollte Radio Bremen finden. Einen Sozialethiker, Moderator, zumindest aber überzeugenden Redner hat der Sender nach dem jetzigen Stand der Dinge bekommen. Sein wichtigstes Ziel, so scheint's, ist die Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen. Alles andere leitet sich davon ab. Doch viel davon steht noch in den Sternen: Zum Beispiel das neue Profil der Hörfunkwellen, von denen Glässgen alle vier erhalten will, weil ein neuer Privatsender auf der geräumten Frequenz Radio Bremen noch mehr Konkurrenz machen würde. Oder der Programm-Output im Bereich Fernsehen, den sich Radio Bremen in Zukunft noch leisten kann. Oder auch ein Sozialpakt à la VW-Modell, der spät aber trotzdem gestern von der RB-Betriebsgruppe der IG Medien gefordert wurde. Dabei hängt alles mit allem zusammen: Kein Stellenab- – ähem – -umbau ohne Programmkonzept, kein Programmkonzept ohne Absprachen mit Partnersendern, kein Medienkompetenzzentrum ohne Hilfen des Senats, der laut Glässgen positive Sig-nale sendet. Wie überhaupt alle Gespräche „außerordentlich positiv, angenehm und offen“ verlaufen. Auch mit Jobst Plog, dem NDR-Chef: „Ich habe Gott sei Dank nicht die Rolle, dass ich da erst Schutt wegräumen muss“, sagt Glässgen mit einem leichten Grinsen und ergänzt: „Ich tanze auf tausend Hochzeiten.“

Mit dem NDR will der RB-Chef die Gespräche über ein Nordwest-Radio wieder aufnehmen. Mit dem Senat verhandelt er über Zuschüsse für Radio Mypegasus. Vom DeutschlandRadio will er Programme für die Kulturwelle „Radio Bremen 2“ übernehmen. Und vom Südwestrundfunk SWR eventuell das Internet-orientierte Programm „Das Ding“. All dies und jenes sind die Zutaten für Szenarien für das neue, in Zukunft „relativ selbständige“ Radio Bremen. Noch ist überhaupt nicht klar, ob sich die HörerInnen im Sendegebiet in zwei Jahren bei „Radio Hansa-Melodie“, bei „Das Bremer Ding“ oder bei einer Nordwest-Welle einschalten können. Auf jeden Fall will Glässgen die neun öffentlich-rechtlichen Programme der Region (vier von RB, fünf vom NDR) aufeinander abstimmen. Insider haben Zweifel, ob das bei einer endlichen Palette von Musikfarben geht.

Wie auch immer: Radio Bremen wird nach dem Glässgen-Jargon eher um- als abgebaut. Und das wäre auch ohne Kürzung des Finanzausgleichs fällig gewesen. Die Zeit drängt, „denn 2006 ist bei der Schwerfälligkeit von Großbetrieben schon übermorgen“.

Christoph Köster

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