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Freie Fahrt für freie Busunternehmer

■ Die EU will den Öffentlichen Personennahverkehr dem Wettbewerb öffnen. Das bedeutet nicht nur Dumpinglöhne und Stilllegung von Nebenstrecken, sondern auch die Chance zur Umgestaltung

Wer in Deutschland einen öffentlichen Bus besteigt, wird in der Regel von einem Angestellten des kommunalen Verkehrsbetriebs transportiert. Noch 78 Prozent des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) werden hierzulande von städtischen Monopolisten betrieben, an deren Kapital die öffentlichen Hände ganz oder zum Großteil beteiligt sind. Doch schon bald werden beim ÖPNV viele Beschäftigte aus der Privatwirtschaft kommen.

Die EU-Kommission arbeitet gegenwärtig an der Novellierung einer Richtlinie, die eine europaweite Ausschreibung von Verkehrsdienstleistungen vorschreibt. Hinzu kommt ein finanzielles Problem der kommunalen Busbetriebe: Die Liberalisierung des Strommarkts führt zu sinkenden Einnahmen der Stadtwerke. Bisher unterstützten die häufig ihre klammen Schwestern im Verkehrsbereich. Experten veranschlagen diese Quersubventionierung auf drei Milliarden Mark im Jahr. Doch die rasant fallenden Strompreise lassen eine Fortsetzung dieser Konstruktion nicht zu.

Zudem wird das Bundesverwaltungsgericht demnächst entscheiden, ob die Unterstützung der Verkehrsbetriebe durch Stromversorger und die damit verbundene Steuerersparnis unzulässig ist. Ein solches Urteil würde in unvorbereiteten Städten zu einem rasanten Abbau des Bus- und Bahnverkehrs oder zu massiven Fahrpreiserhöhungen führen. Bad Kreuznach hat bereits panisch reagiert und seinen Nahverkehrsbetrieb für eine Mark verscherbelt.

Klimmt will ungezügelten Liberalismus verhindern

Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) will keinen „ungezügelten Liberalismus“ zulassen. Die Vorgaben aus Brüssel dürften nicht dazu führen, dass allein kommerzielle Gesichtspunkte eine Rolle spielten. Außerdem plädiert er für angemessene Übergangszeiten, damit sich die Unternehmen auf die neue Situation einstellen können.

Die Bündnisgrünen wollen die anstehenden Änderungen aktiv gestalten. „So lange wie möglich am Status quo festzuhalten, ist unverantwortlich“, konstatierte Ali Schmidt, als er am Dienstag das Konzept seiner Partei in Berlin vorstellte. Ziel einer Reform müssten sowohl die Verbesserung des Angebots für die Fahrgäste als auch die Verhinderung von Sozialdumping bei den Verkehrsbetrieben sein, ohne dass die Kommunen weiter belastet würden.

Um das zu erreichen, fordern die Bündnisgrünen eine Neuordnung der ÖPNV-Finanzierung. Die bisher aus vielen verschiedenen Töpfen stammende Unterstützung von Bund und Ländern sollen zusammengeschüttet und den Landkreisen zur Verfügung gestellt werden. 7 bis 8 Milliarden Mark kommen dabei zusammen, haben die Bündnisgrünen errechnet. Zusätzlich wollen sie die Kilometerpauschale für Pendler von heute 70 Pfennig in eine Entfernungspauschale für Rad-, Bus- und Autofahrer von jeweils 50 Pfennig pro Kilometer umwandeln. Dadurch wächst nicht nur der Reiz, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren. Ein Teil der so gesparten fünf Milliarden Mark soll ebenfalls an die Landkreise verteilt werden, damit sie den ÖPNV verbessern können. Vor Ort soll dann entschieden werden, welche Bus- und Bahnlinien in welchem Takt zu bedienen sind. Die Landkreise holen nach ihrer Grundsatzentscheidung konkurrierende Angebote ein.

Kaum ein Angestellter will zu den Privaten wechseln

Noch sind die meisten Bus- und Bahngesellschaften nicht wettbewerbsfähig. Ihre Personalkosten liegen etwa dreißig Prozent über denen der Privaten. Zwar hat die ÖTV 1998 einer Vereinbarung zugestimmt, wodurch öffentliche Verkehrsbetriebe neuen Mitarbeitern einen deutlich niedrigeren Lohn zahlen müssen. Doch diese Einsparung schlägt erst allmählich durch. Wer verzichtet schon freiwillig auf Lohn? Bei der Berliner BVG zumindest wechselte bisher kaum ein Busfahrer in das neue Tochterunternehmen, in dem branchenübliche Löhne gezahlt werden – obwohl ihm die Entscheidung satte 100.000 Mark einbringen würde.

ÖTV-Sprecherin Olga Leisinger warnt davor, dass in Zukunft das Angebot für wenig lukrative Nebenstrecken gefährdet sein könnte. Doch es gibt auch Städte, die ihre Verkehrsbetriebe bereits auf den Wettbewerb vorbereiten. Leipzig koppelt als erste Stadt seine ÖPNV-Subventionen an die Personenkilometer. Dadurch hat das städtische Unternehmen einen Anreiz, möglichst viele Fahrgäste zu gewinnen anstatt möglichst viele Buskilometer abzuspulen. Außerdem wollen die Leipziger Stadtwerke demnächst fern ihrer Heimatstadt selbst als Konkurrent auftreten. Dafür haben sie bereits zusammen mit anderen eine Nahverkehrsgesellschaft gegründet.

Annette Jensen

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