: Macht und Moral: US-Außenpolitik
Die USA rühmen sich der demokratischsten der Demokratien. Wie diese tatsächlich funktioniert und was sie im Innersten zusammenhält, ist hierzulande oft nur ansatzweise bekannt. Eine Festschrift für Knud Krakau, Professor am Berliner John-F.-Kennedy-Institut, zeigt nun die Auswirkungen des „Spannungsfeldes“ zwischen moralischem Anspruch einer ganzen Nation und außenpolitischen Realitäten. „Macht und Moral“ wurde von früheren Schülern Krakaus herausgegeben.
Der Band versammelt vor allem Aufsätze jüngerer Historiker. Sie wollen darstellen, wie die „Überhöhung der eigenen moralischen Prinzipien oft der summarischen Rechtfertigung des eigene Handelns und der dabei eingesetzten Instrumente“ dient, was „von der Außenwelt nicht selten als dogmatisch und heuchlerisch zurückgewiesen wird“, wie Manfred Berg in seiner Einleitung schreibt.
Die Themen der Sammlung bewegen sich auch jenseits des Konventionellen, etwa mit Axel Schäfers Essay über die Studienzeit des schwarzen Reformers W. E. B. Du Bois in Berlin 1892-94, Reinhard Doerris’ Text über den Umgang mit deutschen Sabotageakten in Amerika 1914-16 und Jürgen Heidekings Anriss der Schwierigkeiten einer Demokratie mit ihrer Geheimdienstlandschaft. Stilistisch und inhaltlich herausragend schreibt Fabian Hilfreich über die Rolle des Nationalstolzes in der Debatte über den Vietnamkrieg. Einsichtig wird, weshalb sich beide Seiten – Kriegsbefürworter und -gegner – als amerikanische Patrioten definieren konnten.
Die Rahmendaten zeigen es: Es sind nicht mehr die Konflikte des 20. Jahrhunderts selbst, die hier beleuchtet werden, sondern die Zeiten davor oder danach, die ein wesentlich genaueres Bild der Motivation der amerikanischen Außenpolitik geben. Dazu zählen auch Michaela Hönickes Beitrag über die Psychogramme, die die Regierung über Hitler und die Deutschen vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg anfertigen ließ, und Anneke de Rudders Betrachtungen der amerikanischen Rhetorik zu den Nürnberger Prozessen. Es ist geradezu rührend, wie intensiv amerikanische Politiker und Wissenschaftler beschäftigt hat, warum die Deutschen so schnell gute Nazis wurden und wie man es ihnen am besten wieder abgewöhnt. Die deutsche Bevölkerung wurde mehrheitlich als Teil des Problems gesehen, nicht als Opfer eines Diktators, obwohl diese Frage in den USA durchaus kontrovers diskutiert wurde.
Eine etwas trockenere Lektüre ist Larman Wilsons Darstellung der Personalpolitik des State Departments. Sie zeigt aber, dass hier eine mächtige Bürokratie existiert, die lenkt, was in Deutschland gern als einsame Entscheidungen eines Präsidenten wahrgenommen wird. Der moralische Anspruch, an dem so leicht zu scheitern ist, war immer eine bedeutende Motivation der amerikanischen Außenpolitik, der andere untergeordnet wurde. Dies bleibt vielleicht das einzige Kontinuum einer für unser Verständnis oft heuchlerischen und wechselhaften Politik.
Es ist bedauerlich, dass der Beitrag über die amerikanische Beteiligung an UN-Missionen reichlich allgemein und der von Gesine Schwan zum Antiamerikanismus so uninteressant ausgefallen sind. Trotzdem wünscht man dieser Festschrift viele Leser. ANNETTE JANDER
Manfred Berg u.a. (Hrsg.): Macht und Moral. Beiträge zur Ideologie und Praxis amerikanischer Außenpolitik im 20. Jahrhundert, LIT, Münster 1999, 328 Seiten, 40 Mark
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