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Jugendsenator opfert Familienförderung

Senat streicht freien Trägern 1,6 Millionen Mark für Familienhilfe. Projekte und Grüne werfen Böger „politische Dummheit“ vor

Jugendsenator Klaus Böger (SPD) will die Unterstützung für Familien rigoros beschneiden. Alle freien Träger aus dem Bereich „Familienbildung“, deren Angebote von Mutter-Kind-Gruppen bis zu Erziehungsberatungen für verhaltensauffällige Kinder reichen, haben in den vergangenen Wochen Post von der Jugendverwaltung bekommen. Darin heißt es, dass „alle Projekte der Familienbildung ab dem 1. Juli 2000 nicht mehr gefördert werden können“. Die Begründung: die Haushaltslage des Landes. „Bei den knappen Mitteln müssen wir klare Prioritäten setzen“, so Bögers Sprecherin Rita Hermanns.

Betroffen sind 20 freie Träger, darunter Familienverbände und Nachbarschaftsheime, aber auch kleinere Einrichtungen wie die Männerberatungsstelle Mannege und der Verband allein erziehender Mütter und Väter (VAMV), die jetzt vor dem Aus stehen. Insgesamt sollen so jährlich 1,6 Millionen Mark eingespart werden.

Die Bündnisgrünen haben die Streichungen scharf kritisiert. Die Familienbildung sei eine gesetzlich vorgeschriebene Leistung und müsse angeboten werden, so die sozialpolitische Sprecherin Elfi Jantzen. „Die Bezirke können das nicht auffangen.“ Für eine „politische Dummheit“ hält der Geschäftsführer des Nachbarschaftsheims Schöneberg, Georg Zinner, die Senatsentscheidung: „Erst wird gesagt, man muss bei Eltern und Kindern ansetzen, bevor es wirkliche Probleme gibt, und dann werden innovative Ansätze zerschlagen.“ Im Nachbarschaftsheim nutzen wöchentlich 900 Eltern und Kinder die Angebote der Familienhilfe – Tendenz steigend. Das liege an der Verunsicherung vieler Eltern, so Zinner. Die Ursachen dafür: die steigende Anzahl von allein Erziehenden, fehlender Austausch mit Müttern und Großmüttern und ins Wanken geratene Wertevorstellungen. Mit den 50.000 Mark, die das Nachbarschaftsheim bislang vom Senat bekommt, wird eine Koordinatorin finanziert. „Fällt die weg, bricht hier alles zusammen.“

Auch der VAMV, der mit den 195.000 Mark vom Senat Miete und Personalkosten finanziert, kann über fehlende Nachfrage nicht klagen. „Für das neue Kindschaftsrecht sind wir die kompetentesten Ansprechpartner“, sagt Mitarbeiterin Alexandra Szwacka. Die Telefonberatung wird 800-mal im Jahr frequentiert, für Einzelberatung und Gruppenplätze gibt es lange Wartelisten. SABINE AM ORDE

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