DAS MAGDEBURGER MODELL IST NICHT MEHR ZU RETTEN
: Koalition statt Klüngel

Schwärmerisch feierten die Protagonisten das Magdeburger Regierungsmodell bisweilen als „Idealzustand der parlamentarischen Demokratie“. Nicht die Minister bestimmten mit ihren Gesetzesvorlagen die Tagespolitik, sondern die Parlamentarier. Sie nahmen die Vorlagen ein ums andere Mal auseinander, diskutierten sie hitzig und trotzten den Ministern Änderungen ab. Der Kompromiss zwischen den politischen Lagern galt als das Hohelied der Politik. Ohne ihn kam selten eine Mehrheit zustande. Dem Magdeburger Modell wurde schnell ein neue Qualität in der politischen Landschaft nachgesagt. Aber Modelle können scheitern, wenn sich eine entscheidende Größe ändert. Hier: Bündnis 90/Die Grünen. Es war deren Koalitionsvertrag mit der SPD, der der PDS als Tolerierungsgrundlage diente. Seit die Grünen 1998 aus dem Parlament flogen, fehlt diese Basis des Magdeburger Modells.

Um dennoch gemeinsam Politik machen zu können, sind PDS und SPD näher zusammengerückt. Mit tragischen Folgen: Der Modellversuch „Wechselnde Mehrheiten“ ist zu einer Stammtischangelegenheit geworden. In regelmäßigen Abständen trifft sich Ministerpräsident Reinhard Höppner mit den Fraktionsspitzen von SPD und PDS, um gemeinsame Projekte zu verabreden. Politik wird nicht mehr vom Parlament, sondern von diesem als „Klüngelrunde“ verschrienen Kreis gemacht.

Es ist jetzt an der Zeit, über eine Koalition zu reden – nicht erst nach den nächsten Wahlen in zwei Jahren. Die Menschen zwischen Saale und Elbe sind es leid, dem politischen Hickhack ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Ein Koalitionspapier – das heute ohne Rücksichten auf Bundes-SPD oder Bundestagswahlen geschrieben werden könnte – würde für mehr Kontinuität und Übersicht bürgen.

Der neuerliche Dauerstreit um das Polizeigesetz macht zudem eine politische Handlungsschwäche deutlich. Wenn jetzt die SPD gar mit der CDU gegen ihren De-facto-Koalitionspartner PDS stimmt, droht politisches Chaos. Das ist in Magdeburg besonders gefährlich. Schließlich sitzen dort jetzt zwei rechtsextreme Fraktionen im Landtag, die sich dringend zu profilieren versuchen. NICK REIMER