: Tauwetter in Nahost
Palästinenserpräsident Arafat und Israels Premier Barak einigen sich über Zeitplan für Gebietsrückgaben und Termin für Friedensabkommen
aus JerusalemSUSANNE KNAUL
Mit der Einigung über einen neuen Zeitplan für weitere Gebietsabgaben sowie einen Termin für das Rahmenabkommen konnte gestern in Ramallah das Eis im israelisch-palästinensischen Friedensprozess gebrochen werden. Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Israels Premierminister Ehud Barak vereinbarten nach Auskunft palästinensischer Delegationsmitglieder, den seit Januar ausstehenden Rückzug aus 6,1 Prozent palästinensischen Gebietes „in naher Zukunft“ vorzunehmen. Bis dahin wollen beide Seiten eine Lösung für ihren Konflikt über die Qualität des umstrittenen Landes erreichen. Im Mai soll der so genannte Rahmenplan für die Endstatuslösung unterzeichnet werden. Der dafür vorgesehene Termin 13. September 2000 bleibt bestehen. Für Juli ist der dritte Truppenabzug des Interimsabkommens geplant. An diesem Tag will Jassir Arafat, „ob mit oder ohne Abkommen“, den Palästinenserstaat ausrufen. Palästinensische Delegationsmitglieder berichteten über eine „Verpflichtung Amerikas“, dafür zu sorgen, dass Israel sich an die Abmachungen halten wird.
USA und Ägypten vermitteln beim Treffen in Ramallah
Das gestrige Treffen, dem der US-Nahost-Beauftragte Dennis Ross beiwohnte, fand auf Vermittlung Amerikas und Ägyptens statt. Ein weiteres Gespräch ist heute im ägyptischen Sharm-el-Sheikh geplant, wo Präsident Husni Mubarak über den aktuellen Stand der Verhandlungen informiert werden soll. In der nächsten Woche werden die Delegationen „zu intensivierten Verhandlungen“, so Ross, nach Washington reisen. Israelischen Informationen zufolge geht die Annäherung auf eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen seitens der Israelis zurück. Dazu gehört eine bevorstehende Amnestie für palästinensische Sicherheitshäftlinge, Kompromisse hinsichtlich der nördlichen Passage zwischen Gaza und Westjordanland sowie eine Rückzahlung palästinensischer Steuergelder in Millionenhöhe.
Offenbar will sich Barak mit diesen Kompromissen Zeit für das Rahmenabkommen kaufen, bei dem es inhaltlich noch immer keine Annäherung gibt. Israels Premier steht unter dem Druck seiner Sicherheitsdienste, die vor einer neuen Terrorwelle warnen. Die Hamas beobachte aufmerksam die Stimmung im Volk, und das ist angesichts wochenlangen Verhandlungsstillstands mehr als frustriert. Dazu kommen bisher unbestätigte Meldungen über Fortschritte der israelisch-syrischen Friedensbemühungen. Ein schneller Erfolg mit Damaskus lockt den Premier mehr als die schwierige Debatte um Jerusalem, die Siedler und Flüchtlinge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen