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„Von Personenkult halte ich nichts“

Die neue Drogenbeauftragte des Hamburger Senats Christina Baumeister will sich politisch noch nicht outen. Schließlich mag sie keine überstürzten Entscheidungen. Ein Portrait  ■ Von Elke Spanner

Klar hat sie Horst Bossong von ihrer Bewerbung erzählt, gibt Christina Baumeister lachend zu. Schließlich hatten sie lange eng zusammengearbeitet, sie als Sprecherin der Sozialbehörde, er als Drogenbeauftragter des Senats. Dass sie nun in seine Fußspuren treten wollte, wusste Bossong, ehe die Behörde sich tatsächlich für Baumeister als neue Drogenbeauftragte entschied. Ob er ihr zugeraten hat, verrät sie nicht. Aber „ich glaube bestimmt, dass er sich über die Entscheidung freut“.

Baumeister ist eine Frau, deren Wahl vorerst kaum Anstoß erregen kann. Politisch outet sie sich noch nicht, „erst spreche ich mit meinen neuen Mitarbeitern und den Trägern“. Ihre bisherige Karriere verlief glatt, sozialwissenschaftliches Studium, wissenschaftliche Mitarbeit in der SPD-Bürgerschaftsfraktion, dann heuerte sie in der Sozialbehörde an. Und als ehemalige Pressesprecherin ist sie zwar geübt darin, öffentlich aufzutreten und zu repräsentieren, nimmt sich als Person aber ganz zurück: Dezente grüne Brille, grüne Hose, Nylonstrümpfe in hautfarbenem Beige. Nur am linken Ohr erlaubt sie sich einen kleinen Hingucker, dort baumelt ein langer Ohrring herab.

Von „Personenkult“, bestätigt Baumeister, hält sie nichts. Deshalb stört sie auch nicht, dass, anders als vor elf Jahren, mit der Ausschreibung der Stelle nicht explizit ein „Drogenbeauftragter des Senats“, sondern nur eine „Referatsleitung Drogen und Sucht“ gesucht wurde. In eine Behördenhierarchie eingebunden zu sein, findet sie wichtig, „dann steht nicht die einzelne Person im Vordergrund“. Skeptische Stimmen hatten gemutmaßt, durch die formelle Degradierung solle auch die Bedeutung der Drogenpolitik auf eine reine Verwaltungsangelegenheit he-runtergeschraubt werden. Baumeister widerspricht – und nährt die Befürchtungen dann doch: „Es gibt eine Drogenpolitik der Behörde und des Senats, und die wird nicht allein deshalb besser oder schlechter, weil eine Person ausgewechselt wird.“ Im übrigen profiliere man sich nicht über einen Titel, sondern über Politik.

Dass ihr Vorgänger sich über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht hatte, schüchtert Bau-meister nicht ein. Bossong sei ihr Vorbild „hinsichtlich seiner Kompetenz und Fachlichkeit“, und davon, dass auch sie diesem Maßstab gerecht werden kann, ist sie überzeugt. Sie sagt das selbstbewusst, aber ohne jeden Anflug von Eitelkeit. Unsicherheiten hat sie keine, um das zu gewährleisten, sagt und tut sie nichts, was sie sich vorher nicht gründlich durch den Kopf gehen hat lassen. Ruhig hört sie zu, sagt nie etwas unüberlegt. Wer so mit Bedacht formuliert, überstürzt auch keine Entscheidungen.

Von der Wand lacht Sohn Ole auf Fotos in blauen und roten Wechselrahmen. Pflanzen auf Schreibtisch und Fensterbank verleihen dem Behördenraum ein wenig Wohnlichkeit. Seit 1993 residiert Baumeister in der BAGS, mittlerweile leitet die heute 35-Jährige die Präsidialabteilung. Thematisch ist sie mit allem befasst, „von Kampfhunden bis zum Krankenhausplan“. Jetzt freut sie sich auf ein Fachressort und darauf, „selbst ein Politikfeld zu gestalten“. Die Linie in der hiesigen Drogenpolitik findet sie richtig, „Hamburg hat eine Vorreiterrolle“. Auf der will sie aufbauen. Doch aus Baumeister spricht weniger die entschlossene Politikerin als die Behördenfrau, als sie ihre politische Ziele formuliert: Nicht von ganz neuen Projekten ist die Rede, wie Bossong sie mit den Fixerstuben und dem Me-thadonprogramm geschaffen hat. Baumeister spricht vom „Modernisierungskurs“, den sie fortführen will, vom neuen Zuwendungssys-tem für freie Träger und einer „outputorientierten Finanzierung“.

Zunächst, das weiß sie, wird sie viel zuhören und sich Akzeptanz erarbeiten müssen. Ihr Vorgänger hatte sich im Laufe der Jahre mit etlichen freien Trägern der Drogenhilfe überworfen. Angst macht Baumeister das zwar nicht. „Meine Ausgangsbasis ist wunderbar, weil alle Träger wieder an einen Tisch zurückgekehrt sind.“ Aber dass einem Respekt nicht geschenkt wird, das ist ihr auch klar. „Kooperation“ ist ein Wort, das immer wieder fällt. Am Gesetz zur Legalisierung der Fixerstuben etwa haben viele kritisiert, es gehe nicht weit genug. Baumeister hingegen freut sich darüber, „dass es gelungen ist, auch die CDU mit ins Boot zu holen“.

Anders als beispielsweise der Behindertenbeauftragte des Senates versteht sie sich als Drogenbeauftragte nicht allein als Interessenvertreterin einer Klientel, „das macht die Schwierigkeit aus“. Da sind die Drogenabhängigen, „die am Rande stehen“. Da ist aber auch die Bevölkerung, die sich von einer offenen Szene gestört fühlt. „Denen kann man nicht einfach sagen, Suchtkranke haben ein Problem und damit müssten die Anwohner jetzt leben“, sagt sie. Das hinsichtlich der Fixerstuben umstrittene dezentrale System findet sie deshalb richtig, die Belastung müsse verteilt werden, „wie wir es bei der Zuwanderung auch machen: Da haben wir auch Unterkünfte in Blankenese eröffnet“. Weiter legt sie sich inhaltlich vorerst nicht fest. Keine Aussage zur Forderung nach weiteren Gesundheitsräumen. Auch die Frage, ob unter 18-jährige Junkies Zugang zu Fixerstuben haben sollten, entscheidet sie jetzt nicht.

Baumeister weiß, was sie erreichen will. Gut wird sie ihre Amtszeit gemeistert haben, verrät sie, wenn es ihr gelingt, „das Bild, das in Hamburg selbst von der Drogenpolitik gezeichnet wird, mit deren Leistungen in Einklang zu bringen. Hier wird so viel schlechtgeredet“.

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