General wegen Morden von Srebrenica vor Gericht

Der bosnisch-serbische General Krstic ist nach dem Kroaten Tihomir Blaskic der bisher höchstrangige Angeklagte in Den Haag

SARAJEVO taz ■ Heute beginnt vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozess gegen den bosnisch-serbischen Generaloberst Radislav Krstić. Er wird des Völkermords, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und der Verletzung des Kriegsrechts beschuldigt. Im Zentrum der Anklage steht der Mord an über 7.000 Menschen in der UN-Schutzzone Srebrenica. Während deren Eroberung 1995 war Krstić Stabschef des „Drina-Korps“ der Armee der Republika Srpska, der bosnisch-serbischen Truppen, die entscheidend an den Massakern beteiligt sein sollen.

Der 1948 im ostbosnischen Vlasenica geborene Krstić wurde 1992 als Oberstleutnant der jugoslawischen Armee in das Drina-Korps der bosnisch-serbischen Streitkräfte eingegliedert. Der Prozess dürfte nicht nur seine individuellen Verbrechen herausarbeiten, sondern auch die Verantwortung des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Krstić soll zusammen mit dem Anführer der bosnisch-serbischen Armee, Ratko Mladić, und Offizieren der jugoslawischen Armee die Aktion in Srebrenica geplant haben.

Am 13. Juli 1995 rückten die serbischen Truppen in die Enklave vor. Ein Großteil der 40.000 Menschen, vor allem Frauen, Kinder und Alte, versuchten in Kasernen der niederländischen UN-Schutztruppen zu fliehen. Die meisten Männer versuchten das 60 km entfernte bosnisch-kontrollierte Gebiet zu erreichen. Dabei wurden rund 7.000 Männer von serbischen Truppen ermordet, einige Tausend in Lager gebracht, Hunderte dort erschossen. Die meisten Frauen und Kinder wurden später unter UN-Aufsicht nach Tuzla gebracht.

Das Massaker von Srebrenica beeinflusste die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu Serbien. Mit Nato-Hilfe kam es einen Monat später zu Gegenangriffen der kroatischen Truppen in Kroatien und im September zusammen mit bosnischen Truppen in Bosnien-Herzegowina. Die serbischen Armeen büßten große Gebiete ein, die Belgrader Führung stimmte schließlich im November 1995 dem Dayton-Abkommen zu, das den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendete.

Mit Srebrenica gewann das Haager Kriegsverbrechertribunal an Gewicht. Seitdem wurden eine Reihe mutmaßlicher Kriegsverbrecher aller Seiten festgenommen. Die Hauptangeklagten, der Serbenführer Radovan Karadzić und sein Militärchef Mladić, wurden jedoch noch nicht gefasst. Krstić wurde am 2. Dezember 1998 von SFOR-Truppen in Bosnien verhaftet.

ERICH RATHFELDER