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Der größte Erfolg des José María Aznar

Nach vier Jahren erfolgreicher Regierungsarbeit gewinnen Spaniens Konservative die absolute Mehrheit im Parlament. Regierungschef Aznar hat die Partei in die politische Mitte geholt. Die Linke steht vor einem Scherbenhaufen

aus Madrid REINER WANDLER

Spaniens Regierungschef José María Aznar hatte allen Grund zu jubeln, als er kurz vor Mitternacht mit seiner Frau den Balkon der Zentrale der Volkspartei (PP) in Madrid betrat, um sich von tausenden von Anhängern feiern zu lassen. Zum ersten Mal in der Geschichte der 25 Jahre jungen spanischen Demokratie hat ein Kandidat der Rechten eine absolute Mehrheit im Parlament errungen. Und das auch noch mit weit über zehn Millionen Stimmen, so vielen wie vor ihm noch keiner.

In den letzten vier Jahren fehlten Aznar 20 Mandate zur absoluten Mehrheit, und so war er auf die Unterstützung der katalanischen, kanarischen und baskischen Nationalisten angewiesen. In der nächsten Legislaturperiode kann er bequem allein regieren. 44,5 Prozent der Wähler schenkten dem Konservativen ihr Vertrauen – knapp sechs Prozent mehr als noch vor vier Jahren.

Der Wahlkampf unter dem Motto „Wir werden uns steigern!“ hat sich ausgezahlt. Statt eines großen, ideologischer Programms setzte Aznar auf „Tatsachen“. Immer wieder zählte er seine Erfolge auf. Es gelang ihm, den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung für Spanien besonders gut zu nutzen. Mit 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum und 1,8 Millionen weniger Arbeitslosen ist das Land auf der Iberischen Halbinsel in der EU einsamer Rekordhalter. Aznar verstand, was ihm keiner zugetraut hatte. Statt an der Schwäche seines Minderheitenkabinetts zu scheitern, suchte er den Dialog mit den Nationalisten, aber auch mit Gewerkschaften. Letztere brachte er dazu, zusammen mit den Unternehmerverbänden eine Arbeitsmarktreform zu Gunsten der jungen Arbeitslosen vorzunehmen.

Doch die Gründe für die massive Wählerwanderung sind nicht nur in den wirtschaftlichen Erfolgen und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit zu suchen. Aznar hat es in den letzten vier Jahren verstanden, die rechten Scharfmacher innerhalb der PP an den Rand zu drängen und die Partei in Richtung Mitte zu holen.

Die Linke steht vor einem Scherbenhaufen. Trotz eines Paktes der sozialistischen PSOE und der kommunistisch beeinflussten Vereinigten Linken (IU), der wie in Frankreich die fortschrittlichen Stimmen bündeln sollte, sackten beide Parteien in den Keller. Die Sozialisten ernteten 3,6 Prozent weniger Stimmen als noch vor vier Jahren. Im Parlament werden sie künftig nur noch mit 125 statt 141 Abgeordneten vertreten sein. Spitzenkandidat Joaquín Almunia zog die Konsequenzen und trat noch am Wahlabend vom Amt des Generalsekretärs zurück. „Wir Sozialisten müssen über die Gründe und die Folgen dieser Niederlage nachdenken“, richtete sich Almunia an seine Anhänger und forderte „eine Erneuerung mit mehr Kraft als bisher“. Ein Sonderparteitag wird noch vor der Sommerpause erwartet.

Die Stimmenverluste der PSOE an die PP hätten noch schlimmere Konsequenzen gehabt, hätte die IU nicht die Hälfte ihrer Wähler an die Sozialisten abgegeben. Das Wahlbündnis erzielte 5,46 Prozent und zieht damit nur noch mit 8 statt wie bisher 21 Abgeordneten ins Parlament ein. Spitzenkandidat Francisco Frutos zahlt damit für die Fehler seines orthodox-kommunistischen Vorgängers Julio Anguita, der eine Einheit der Linken immer strikt abgelehnt hatte.

Wahlsieger Aznar versprach noch am Wahlabend, trotz der hohen Mehrheit, auch weiterhin „den Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften“ zu suchen. Als ersten Schritt will er in acht wichtigen Themen, von einer Justizreform bis hin zur Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Zentralregierung und Autonomie, die Einheit aller Parteien herbeiführen, um so die nötigen Maßnahmen effektiver umsetzen zu können.

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