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„Da ist Drive drin“

Fraktionssprecherin Kerstin Müller zur Frage, warum nicht die Grünen, sondern Gerhard Schröder mit Einwanderungspolitik Erfolge feiert

Interview PATRIK SCHWARZ

taz: Alle reden von Einwanderung, nur vom grünen Vorschlag eines Einwanderungsgesetzes ist nichts zu hören. Hat Gerhard Schröder Ihnen mit der Green Card den Schneid abgekauft?

Kerstin Müller: Nein, die Green Card kann ein Einstieg in die Einwanderungsdebatte sein. Mit der Green Card erkennen die SPD und die Wirtschaft an, was die Grünen immer gesagt haben: Dass diese Gesellschaft Einwanderung braucht – und dass wir sie steuern müssen.

Sie reden von einem Einstieg in die Einwanderungspolitik, der Bundeskanzler hält die Green Card für das Ende der Debatte.

Es ist aber ziemlich offensichtlich, dass das Green-Card-Konzept nicht weit genug reicht. Erstens lehrt die Erfahrung der 60er-Jahre: Man wirbt Arbeitskräfte an, aber es kommen Menschen. Menschen haben Familien und wollen meist länger bleiben als nur fünf Jahre. Zweitens lässt sich Einwanderung nicht auf den Bereich der Computerindustrie beschränken.

Der SPD-Innenpolitiker Winfried Penner argumentiert, die Green Card macht ein Einwanderungsgesetz überflüssig.

Da freue ich mich auf die Auseinandersetzung. Schließlich fordern selbst Teile der CDU und der Wirtschaft inzwischen, Einwanderung grundlegend zu regeln.

Müssen nicht auch die Grünen ihre Strategie überdenken? Wenn Schröder über Einwanderung redet, feiert er Erfolge, während die Grünen damit in der Minderheiten-Ecke landen.

Wir haben schließlich ein umfassenderes Konzept als Gerhard Schröder. Wer wie wir auch Einwanderung aus humanitären Gründen befürwortet, trifft eben nicht auf so viel Zustimmung.

Ist das nicht genau Ihr Vermittlungsproblem: Schröders Ausländer kommen als strahlende Multitalente daher, grüne Ausländer als Opfer?

Nein, es reicht ja gerade nicht, sich auf die genehmen Arbeitskräfte zu beschränken. Die Unterscheidung impliziert außerdem, dass Flüchtlinge kein Gewinn für die Gesellschaft sind – und das ist falsch.

Wieso Gewinn?

Gerade bei Flüchtlingen liegt enorm viel Potenzial brach, weil sie nicht arbeiten dürfen. Deshalb fordern wir ja, dass das Arbeitsgenehmigungsrecht verändert wird.

Schröder will eher Fachkräften als Flüchtlingen das Leben erleichtern. Können Sie ihm noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz abringen?

Das können wir nicht versprechen. Wir würden gerne ein Einwanderungsgesetz durchsetzen, aber die SPD wollte das nicht in den Koalitionsvertrag schreiben. Mit der Green Card ist wieder Drive in der Diskussion.

Fürchtet die SPD eine neue Unterschriftenkampagne wie gegen den Doppelpass?

Natürlich gibt es die Furcht, aber diesmal sind die Kritiker in der Defensive. Schauen Sie sich nur die CSU an. Edmund Stoiber war erst lautstark gegen die Green Card und hat dann leise den Rückzug angetreten.

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