: Männer ohne Mannege
Der einzigen landesweiten Beratungstelle für misshandelnde Männer droht die Schließung. Senator Klaus Böger will die Zuwendungen komplett streichen. Gefängnis ist teurer und wirkungslos
von JULIA NAUMANN
Für misshandelte Frauen und Kinder gibt es seit Jahren Frauenhäuser und Kriseneinrichtungen, die zwar schlecht, aber kontinuierlich finanziert werden. Der Schutz der Frauen wird wesentlich verbessert, wenn die Täter die Tragweite ihrer Taten erkennen und sich bei ihnen ein Bewusstseinswandel vollzieht.
Doch für Täterarbeit soll es zukünftig kein Geld mehr geben: Der Beratungsstelle Mannege, die seit über zehn Jahren Gewalttäter therapiert und bundesweit bekannt ist, droht das Aus. Jugend- und Familiensenator Klaus Böger (SPD) will die Zuwendungen ab Juli komplett streichen.
Setzt Böger sein Vorhaben um, gibt es in der Hauptstadt keine Stelle mehr, die berlinweit mit gewalttätigen Männern arbeitet. Nur in Marzahn bliebe ein Beratungsangebot mit einer halben Stelle, die über den Bezirk und die Volkssolidarität finanziert wird. Der Bedarf jedoch ist groß: Allein zwischen März und Juni 1999 gingen beim Sonderdezernat Häusliche Gewalt bei der Amtsanwaltschaft 1.881 Anzeigen ein, bei rund einem Drittel wurde Anklage erhoben.
Der wissenschaftliche Leiter von Mannege, Martin Dubberke, kann Bögers Kürzungsmaßnahmen nicht nachvollziehen. „Gefängnis ist teuer, aber wirkungslos.“ Ein Platz in der Justizvollzugsanstalt Tegel koste durchschnittlich 175 Mark am Tag, die Teilnahme an einem Trainingskurs mit zwölf Sitzungen 950 Mark. Diese aber führe weit eher zu einer Besserung der Täter als ein Gefängnisaufenthalt. In den Seminaren sollen die Schläger die Ursachen ihrer Aggressionen verstehen und Handlungsalternativen zu ihrem Verhalten entwickeln. Mannege bekommt vom Senat jährlich 210.000 Mark. Die Beratungsstelle hat zwei feste Mitarbeiter und zehn Honorarkräfte.
An den Kursen nahmen 1999 76 Männer teil, 60 Prozent meldeten sich freiwillig. Wie viele Männer tatsächlich ihr Verhalten langfristig ändern, ist schwer zu schätzen. Bislang gibt es noch keine Evaluation über Täterarbeit in Deutschland. In Kanada, wo ein ähnliches Projekt nur für Straffällige existiert, liegt die Rückfallquote bei einem Drittel.
Dubberke hofft, dass die Senatsverwaltung ihren Entschluss noch einmal rückgängig machen wird. „Die Ächtung männlicher Gewalt ist allgemeiner politischer Wille, das steht im Programm der SPD und in der Koalitionsvereinbarung.“ Täterarbeit sei integraler Bestandteil eines wirksamen Opferschutzes. Wenn es keine Männerarbeit mehr gebe, müsse der Senat die Gewalttäter wegsperren.
Bögers Verwaltung hält sich bedeckt: „Wir suchen einen Weg, um das Projekt weiter zu finanzieren. Doch ich kann derzeit keine Alternativen nennen“, sagt Bögers Sprecher, Thomas John. Im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses sollen am nächsten Mittwoch die Einsparungen endgültig beschlossen werden. Wie bereits berichtet, sollen im Bereich „Familienbildung“, unter den die Finanzierung von Mannege fällt, insgesamt 1,6 Millionen Mark gestrichen werden. Zwanzig Einrichtungen sind betroffen.
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