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Wadde hadde Godde da

■ In der Bremer Stadthalle findet die „größte christliche Werbeaktion“ statt: ProChrist 2000 wird per Satellit zu Gemeinden in halb Europa übertragen

Bremen und seine Stadthalle stehen nach der „Ausscheidung zum Grand Prix d'Eurovision de la Chanson erneut als Veranstaltungsort im Zentrum einer Mega-Veranstaltung.“ So machen die Veranstalter die Presse lecker, und in der Tat haben sie sich alle Mühe gegeben, damit es eine Mega-Veranstaltung wird. Wer hätte nicht die bunten Plakate gesehen, mit denen ProChrist 2000 die Stadt gepflastert hat. Nur was sich dahinter verbirgt, blieb rätselhaft. Massen-Evangelisation durch eine neue Sekte? Ist der angekündigte Ulrich Parzany ein TV-Evangelist amerikanischen Zuschnitts?

Parzany ist in Wirklichkeit der Vorsitzende des CVJM. Er reagiert dünnhäutig, wenn man ihn auf die ästhetische Nähe seiner Kampagne zu weniger seriösen Angeboten aus dem christlichen Lager anspricht: „Ich hasse, dass das Christentum mit Unprofessionalität und Langeweile assoziiert wird.“ Vor vielen Jahren hätte er deswegen beinahe den Glauben verloren. Aber heute ist sich der Jugendpfarrer sicher: „Gott ist da!“ lautet seine Botschaft und er betont, dass er den „provokativen“ Satz wirklich glaubt. Christen und die „Sympathisantenszene“ sollen jetzt im Rahmen von ProChrist „rausfinden, ob's stimmt“. Das ist natürlich nicht wörtlich zu verstehen. Wer sich vom Besuch in der Stadthalle einen biblischen Gottesbeweis erhofft, wird enttäuscht sein. Hier werden weder Wunderheilungen vollbracht noch 5.000 hungrige Mäuler mit einigen wenigen Broten gestopft. Eher will Parzany die Menschen einladen, in ihrem Alltag ständig neu auf die Suche zu gehen und Fragen zu stellen. Aber er mahnt, rechtzeitig damit anzufangen: „Solange es Euch blendend geht, bevor die Krebsdiagnose da ist oder die Arbeitslosigkeit.“ Aber wer das nicht schafft ist nicht verloren: Die Nachricht von Jesus kann sogar „kaputte Menschen heilen“, und macht „verpfuschtes Leben neu“.

Das sind die konventionellen Rezepte der Kirchen, nur die Verpackung ist neu. Mit der Übertragung der Bremer Veranstaltungen in über 3.000 Gemeinden in 14 Ländern wird eine Art virtueller Gemeinschaft von über einer Million Menschen hergestellt, die ihnen aus ihrer Rolle als Fernsehpublikum bereits vertraut ist. Für die ganz modernen Sinnsucher ist ein Platz im Cyberspace reserviert: Wer keine ProChrist-Gemeinde in seiner Nähe hat, kann live im Internet dabei sein (www.TV1.de). In Bremen tritt die Evangelische Allianz als Veranstalter auf. Das ist keine Versicherung, sondern ein Zusammenschluss freikirchlicher Gemeinden mit der evangelischen Landeskirche. Für ProChrist haben sie höchsten irdischen Segen: Im Kuratorium sind nicht nur die beiden aktuellen Bürgermeister, sondern auch Vorgänger Hans Koschnick. Der wird Parzany auch in der Stadthalle zur Seite stehen, gemeinsam mit Musikern und dem Leverkusener Fußballer Paulo Segio, der sagt: „Die Bibel ist das beste Buch der Welt.“ Diese Botschaft wird er von Bremen aus in die Welt tragen. Genauso wie Stefan Raab unlängst sein „Wadde hadde dudde da“.

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19.-25. März in der Stadthalle, jeweils 19.30 Uhr

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