: Tarif wird nach unten gelotst
Der Hafenwirtschaft sind die Lotskosten zu hoch. Deshalb fordert sie kräftige Lohneinbußen. Lotsenverband droht mit Eskalation ■ Von Peter Ahrens
Was die Schlepper und die Hafenarbeiter schon durchmachen mussten, droht jetzt auch den Lotsen auf der Elbe und im Hamburger Hafen: Tarifdrückerei, Lohneinbußen, Rationalisierung. Die Hafenwirtschaft, der Bund und die Wirtschaftsbehörde drängen darauf, die Lotskosten zu senken – mit dem Hinweis, die seien in Deutschland viel zu teuer, um im Wettbewerb mit Rotterdam oder Antwerpen mithalten zu können. Die Zahlen sagen allerdings etwas anderes.
Der Hafenwirtschaft mit der stadteigenen Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA an der Spitze sind die Lotstarife schon lange ein Dorn im Auge: HHLA-Chef Peter Dietrich hat schon mal verkünden lassen, das Lotswesen habe sich in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert, und das würde jetzt mal Zeit. Und die Wirtschaft sagt auch gleich, wie sie sich das vorstellt: Forderungen von 10 bis 30 Prozent Lohneinbußen hat sie auf den Tisch gepackt. „Wenn die Hafenwirtschaft davon nicht abrückt, dann eskaliert das ganz schnell“, kündigt der Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, Kurt Steuer, an.
Schiffe, die den Hafen ansteuern, müssen Gebühren zahlen: 100 Millionen Mark Lotskosten sind das auf der Unterelbe jährlich. Für die Wirtschaft viel zu viel, dabei liegt Hamburg im Vergleich bei den Lotskosten am unteren Ende. Pro Seemeile zahlt ein Containerschiff in Hamburg 182 Mark, in Rotterdam 728 Mark. Ein Feeder, ein kleinerer Container-Zubringer, muss 35 Mark gegenüber 209 Mark in Rotterdam bezahlen. „Der Vorwurf, durch die Lotskosten werde der Standort gefährdet, ist hanebüchen“, kommentiert der hafenpolitische Referent der GAL, Detlev Grube.
Trotzdem haben die Lotsen keine guten Karten. Die Tarife werden vom Bund festgelegt, und der hat schon deutlich gemacht, dass die Kosten aus Wettbewerbsgründen nach unten müssen. Die Lotsen, die freiberuflich arbeiten, gehören zwar tatsächlich zu den Bestverdienern im Hafen, doch Kurt Steuer weist auf die enorme Belastung hin: Dauer-Bereitschaft an 270 Tagen im Jahr, „wir müssen Tag und Nacht stündlich verfügbar sein“. Schon jetzt gebe es Nachwuchssorgen: Wenn man auch noch beim Lohn kräftig kürze, dann werde, so Steuer, qualifiziertes Personal abwandern – und das in einer Zeit, wo die Schiffe immer größer werden mit immer mehr Tiefgang bei immer weniger Platz im Hafen. „Da ist man ganz schnell beim Sicherheitsaspekt“, sagt Grube. Die Lotsen „werden als Prellböcke zwischen Hafenwirtschaft und Bundesregierung benutzt“, beklagt die Stader SPD-Bundestagsabgeordnete Margrit Wetzel.
Parallel zu den Tarifen bastelt die Wirtschaftsbehörde zurzeit an einem Konzept, um die Kooperation zwischen Elb- und Hafenlotsen neu zu ordnen. Daran mitzuarbeiten fehlt den Lotsen allerdings momentan jede Lust. „So lange uns am Lohn herumgestutzt werden soll, ist die Motivation, an der eigenen Umstrukturierung mitzuarbeiten, ziemlich begrenzt“, sagt Steuer.
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