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Keine U-Bahn . . .. . . unter den Linden

Chaos Unter den Linden: Bau der U-Bahn-Linie 5 legt die historische Innenstadt über Jahre lahm. Verkehrssenator Peter Strieder präsentiert Horrorszenario. SPD-Fraktion zeigt sich überrascht

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 wird nach Ansicht von Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) die Innenstadt über Jahre hinweg komplett lahm legen. Zwischen Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof entstünden riesige Baugruben mit Ausmaßen von über hundert Metern. Vor dem Roten Rathaus und dem Schlossplatz blockierten Schächte für die Tunnelarbeiten den Verkehr und jede weiter Bautätigkeit. Am härtesten träfe die umstrittene „Kanzlerlinie“ aber die Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden. Diese müsste über eineinhalb Jahre völlig für den Verkehr gesperrt werden.

Strieder legte dieses „Horrorszenario“ gestern als exakte Planung aus der Bauverwaltung dem Senat vor. Das Land müsse angesichts „der damit verbundenen Probleme für Geschäfte und Bauprojekte in der historischen Mitte“ die U 5 nochmals auf den Prüfstand stellen, sagte der Verkehrssenator. Zugleich ging Strieder damit auf Distanz zu SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit. Die Fraktion hatte sich am Montag nach einem Gutachten zum Fahrgastaufkommen für die Realisierung des U-Bahn-Projekts ausgesprochen. Strieder hatte dagegen seit Amtsantritt dafür plädiert, den 1,2 Milliarden Mark teuren Bau auf Eis zu legen.

Die Planstudie, betonte Strieder, habe im Senat Wirkung gezeitigt. So habe er deutlich machen können, dass zur Grabung des Tunneleingangs fast der gesamte Platz vor dem Roten Rathaus aufgerissen werden müsste. Auch am Schlossplatz ginge wegen der Gruben „erst einmal nichts mehr“. Gerade dort, sagte der Senator, seien aber in den nächsten Jahren „große Baumaßnahmen“ vorgesehen: die Bauakademie, der Friedrichswerder und „möglicherweise der Wiederaufbau des Stadtschlosses“. Strieder: „Der Aufbau des historischen Zentrums ist wichter als ein derart zweifelhaftes Verkehrsprojekt.“ Am Schlossplatz dürfe keine „offene Wunde klaffen“.

Schließlich würde der Bau des U-Bahnhofs Linden Ecke Friedrichstraße allein die Friedrichstraße auf 140 Meter Länge für eineinhalb Jahre komplett dichtmachen. Hinzu kämen bauvorbereitende Maßnahmen, die ebenfalls Monate in Anspruch nehmen würden. Dies, so Strieder, sei umso fragwürdiger, weil die Einkaufsmeile im vergangenen Jahr durch die Eröffnung des Potsdamer Platzes und den Bezug der Parlamentsbauten Unter den Linden einen enormen Aufschwung erlebt habe. Er sei nicht sicher, dass die Straße eine derart „riesige Baustelle“ verkrafte.

Der Bau der Strecke vom Pariser Platz bis zum Alexanderplatz würde nach Angaben des Verkehrssenators insgesamt sieben Jahre in Anspruch nehmen. Das Projekt, dessen Fertigstellung ursprünglich bis 2006 geplant war, stößt bei betroffenen Geschäftsleuten auf scharfe Kritik. Sie befürchten massive Einbußen, weil die Kunden ihrer Ansicht nach infolge der offenen Baugrube im Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße ausbleiben könnten.

Der SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler zeigte sich gegenüber der taz überrascht von den neuen Planungen Strieders. Gaebler wollte nicht die Befürchtungen teilen, die Verkehrsachse Unter den Linden könnte durch die U-Bahn-Arbeiten über Jahre blockiert sein: Nach den bisherigen Überlegungen solle die Tunnelstrecke zumeist nicht in offener Bauweise gebaut werden, sondern auf weiten Strecken unterirdisch, nämlich per Schildvortrieb, betonte der Verkehrsexperte.

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