: Ratlosigkeit bei Gentech-Pflanzen
Der Europäische Gerichtshof betont den „Grundsatz der Vorsorge“ bei neuen Genehmigungen
FREIBURG taz ■ Bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen ist in jedem Verfahrensabschnitt der „Grundsatz der Vorsorge“ zu beachten. Auf diese Maxime wies gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hin. In einem von Greenpeace ausgelösten Verfahren erläuterte das EU-Gericht, dass nationale Behörden an eine Zulassungsentscheidung der Kommission gebunden sind, es sei denn, es liegen ihnen neue Erkenntnisse über Gesundheits- oder Umweltgefahren vor.
Konkret ging es um die Zulassung von genverändertem Mais der Schweizer Firma Ciba Geigy (jetzt Novartis). Diese Pflanze soll dank Gentechnik gegen den Maiszüngler, einen Schädling, der weltweit sieben Prozent der Maisernte vernichtet, resistent sein. Eingeschleust wurde ein Gen, das dem aus der natürlichen Schädlingsbekämpfung bekannten Bazillus BT abgeschaut ist.
Die Genehmigung des Genmaises war aus zwei Gründen hoch umstritten. Zum einen wurde befürchtet, dass die natürliche BT-Methode bald nicht mehr funktioniert, wenn die Insekten Resistenzen gegen das BT-Gen entwickeln. Zum anderen hatte Ciba als Marker-Gen ein Gen für Antibiotikaresistenz benutzt.
Auf französischen Antrag hatte die Kommission den Genmais Anfang 1997 dann doch genehmigt. Danach waren die Auseinandersetzungen aber nicht zu Ende. So ging Greenpeace in Frankreich gerichtlich gegen die nachfolgende Sortenzulassung für den Genmais vor und erreichte mit der Vorlage zum EuGH auch aufschiebende Wirkung. Man hat allerdings den Eindruck, dass hier nur auf Zeit gespielt wurde. Der französische Conseil d'Etat fragte Banalitäten ab, und der Europäische Gerichtshof bestätigte sie ihm. Ob die Kommissionsentscheidung selbst rechtmäßig war, stand nicht zur Debatte.
Auch dieses Verfahren ist damit Ausdruck der allgemeinen Ratlosigkeit im Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen. So besteht derzeit in Österreich und Luxemburg immer noch ein Importverbot für den BT-Mais. Über dessen Zulässigkeit hätte die Kommission eigentlich schon vor drei Jahren entscheiden müssen, doch sie blieb untätig. Und da sie niemand wegen Untätigkeit verklagt, wird sich das wohl auch nicht so schnell ändern. Außerdem lässt die Kommission Anträge auf die Zulassung neuer Gen-Pflanzen schon seit längerem einfach liegen. Und auch mit diesem De-facto-Moratorium sind die Mitgliedsstaaten durchaus einverstanden. (Az.: C-6/99)
CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen