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„Unkritisch ein Forum geboten“

JournalistInnen zwischen Selbstkritik und Selbstgerechtigkeit: Medien diskutieren ein Jahr danach Rolle im Kosovo-Krieg  ■ Von Elke Spanner

Dass der „Hufeisenplan“, in dem Slobodan Milosevic die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo vorbereitet haben soll, womöglich nicht von ihm, sondern auf der Bonner Hardthöhe geschrieben wurde, ist nicht der erste Hinweis auf Manipulationen der Wahrheit im Kosovo-Krieg. Dass die gestrigen Offenbarungen eines Brigadegenerals aber als solcher dargestellt werden, wirft ein Schlaglicht auf die eingefärbte Medienberichterstattung im Krieg. Den Jahrestages der NATO-Bombardements auf Belgrad nahmen Hamburger JournalistInnen gestern zum Anlass, ihre Rolle in der Kriegsberichterstattung zu hinterfragen.

Einige sahen Schwierigkeiten allein in der Vor-Ort-Recherche im Kosovo und Belgrad. Spiegel-Redakteur Erich Follath befand, dafür sei die Berichterstattung „gar nicht so übel gewesen“. Er beharrte darauf, dass zumindest seine Redaktion auch KriegsgegnerInnen ausreichend zu Wort kommen ließ. Der stellvertretende Chefredakteur der Nachrichtenagentur dpa, Thomas von Mouillard, erinnerte daran, dass dpa immerhin „schon zwei Tage“ nach Beginn der NATO-Bombardements von einem „Krieg“ gesprochen habe.

Weniger zaghaft waren die Medien damals, von einem „Völkermord“ der Serben an den Kosovo-Albanern zu sprechen. Das kristallisierten die übrigen JournalistInnen als Fehler heraus: Der Völkermord sei damals stets behauptet und nie bewiesen worden, erinnerte der Herausgeber des Monatsmagazins konkret, Hermann Gremliza: „Als Bundesverteidigungsminister Scharping drei Wochen nach Kriegsbeginn immer noch keine Beweise für das Vorliegen des behaupteten Kriegsgrundes vorlegte, wurde er von den deutschen Journalisten keineswegs ausgelacht“. Andreas Pawloutschek von ARD-Aktuell räumte ein: „Wir haben häufig Scharping unkritisch ein Forum geboten“. Er sei „überrascht, wie wenig Journalisten sich gegen den Mißbrauch durch Militärs und Politiker zur Wehr setzen“. Anfangs hätten sie gar davor zurückgescheut, den Krieg als Krieg zu benennen. Statt zweifelhafte Bilder abzulehnen, hätten die Fernsehanstalten „dem Quotendruck nachgegeben“.

Auch Annegret Witt-Barthel vom Journalistenverband wirft sich und den KollegInnen vor, die Völkermord-These des Bundesverteidigungsministeriums nicht hinterfragt zu haben. Da die als Tatsache allgemein anerkannt worden sei, hätten die JournalistInnen unter dem Druck gestanden, sich durch Kritik am Krieg an einem zweiten Auschwitz schuldig zu machen. Unter diesem Druck hätten sie nicht einmal innerhalb der eigenen Redaktion, geschweige denn außerhalb auf Pressekonferenzen eine Gegenposition beziehen können.

Der Leiter des Hamburger „Institut für Friedensforschung“, Dieter Lutz, erinnerte daran, dass er vier Tage vor Beginn der Nato-Luftangriffe dargelegt habe, dass es „keinen Völkermord im Kosovo und damit auch keinen Kriegsgrund“ gab. Die Analyse des renommierten Wissenschaftlers wurde in den Medien nicht erwähnt.

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