DER LÄNDERFINANZAUSGLEICH MUSS TRANSPARENTER WERDEN
: Letzte Bonner Lebenslüge

Soso, ein Durchbruch. Die Länderchefs wollen ihn erzielt haben, als sie die Steuereinnahmen neu unter sich aufteilten. Der Länderfinanzausgleich soll in Zukunft nur noch eine 95-prozentige Garantie dafür geben, dass arme Schlucker unter den Ländern so viel Steuermittel verbraten dürfen wie die reichen Südstaaten. Bisher lag die Nivellierung bei „nur“ 99,5 Prozent.

Solche Nullergebnisse als Durchbruch zu feiern mag für die Beteiligten vordergründig Sinn machen. Aus der Perspektive interessierter BürgerInnen ist es allerdings der Ausschluss aus einer Debatte, die den Lebensnerv der Republik trifft. Es geht, so dröge sich „Länderfinanzausgleich“ anhört, ums Geld und um die Macht im Staate. Wer hier mit offensichtlich doofen Phrasen abgespeist wird, den fängt man mit Pseudobeteiligung an anderer Stelle nicht mehr ein. Das ist schade und schädlich – denn der herrschende Finanzausgleich ist die letzte Lebenslüge der Bonner Republik.

Der Finanzausgleich steht beispielhaft für die Überkomplexität des Bonner Systems. Da werden Steuereinnahmen nach einem vierstufigen Verfahren so restlos umverteilt, dass es keiner versteht – selbst hoch bezahlte Finanzspezialisten in den 16 Regierungszentralen nicht. Statt in transparenter öffentlicher Auseinandersetzung darüber zu streiten, was Solidarität in einem Bundesstaat heißt, wurde ein komplizierter Ausgleichsmechanismus ersonnen. Er sorgt dafür, dass kaum jemand weiß, welch gewaltige Finanzspritzen Bayern, das Land der Lederhosen, zu einer Region der Laptops machten. Klar, dass es jetzt irgendwie „ungerecht“ wirkt, dass die Bayern alljährlich drei Milliarden in den Solitopf für arme Länder werfen müssen.

Wer die Debatte um „gleiche Lebensverhältnisse“ und den Föderalismus im Land ehrlich führen will, muss sie öffnen und darüber reden, warum im Bundesrat manche (West-)Länder mehr Gewicht haben als andere (aus dem Osten). Das ist ein alter preußischer Zopf, in den man nach dem Beitritt der Ostländer neue Strähnen flocht. Es wird Zeit, ihn abzuschneiden und den Bundesrat so zu einem demokratischen Organ zu machen – um dort zum Beispiel öffentlich über den Finanzausgleich streiten zu können. CHRISTIAN FÜLLER