: Fritz Kuhn, der Super-Realo
Den Fraktionschef der baden-württembergischen Grünen zieht es auch bei einer Niederlage nach Berlin
BERLIN taz ■ Die endgültige Entscheidung für Berlin habe er, sagte Fritz Kuhn gestern, erst am Abend zuvor „zusammen mit meiner Frau“ getroffen. Man werde gemeinsam an die Spree ziehen. Der 44-jährige Professor für Kommunikations- und Sprachwissenschaften, Vater zweier Söhne, gilt im Ländle als „Familienmensch“. Und er gilt ebenso als kühler, pragmatischer Intellektueller, dem es nicht gegeben ist, den im Südwesten so beliebten volkstümlichen Ton zu treffen.
Manchmal unsicher, dann wieder ungeduldig, mitunter auch herablassend, machte er sich Feinde in den eigenen Reihen nicht nur durch seinen strikt realpolitischen Kurs, der schon früh schwarz-grüne Bündnisse nicht ausschloss. Zusammen mit Rezzo Schlauch war Kuhn in Baden-Württemberg schon einmal Teil von einer Art Dream-Team: Obelix und Asterix. Asterix, sagt Kuhn dazu, sei doch immerhin „der Klügere“. Den Zaubertrank der Politiker, das wärmende Bad in der Menge, hat es für ihn nie gegeben. „Ich bin aber nicht kalt“, hat er einmal fast resigniert gesagt, „ich bin wärmer, als man denkt.“
Kuhn ist in Memmingen im Allgäu aufgewachsen. Studiert hat er in Tübingen. Als Jungsozialist grenzte er sich immer wieder gegen dogmatisch linke Kommilitonen ab. In die grüne Partei ist er schon 1979 eingetreten und wurde wissenschaftlicher Berater der ersten Landtagsfraktion, der er dann 1984 bis 1988 und dann wieder seit 1992 als Abgeordneter angehörte. Dass Kuhn noch vor Ostern seinen Fraktionsvorsitz niederlegen will und alles auf die Berliner Karte setzt, wunderte gestern vor allem seine Gegner, die ihm immer wieder Opportunismus und den Willen zum Machterhalt um jeden Preis vorgeworfen hatten. Er verblüffte sie alle: „Man muss im politischen Bereich auch mal was riskieren.“
HEIDE PLATEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen