: Ebi muss nicht mehr thoben
Nach Thobens Rücktritt entdeckt der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen plötzlich seinen Reformeifer in der Kulturpolitik. Der Senatorin hatte er diesen Rückhalt noch verweigert
von RALPH BOLLMANN
So kann man es natürlich auch ausdrücken. „Der Antritt von Frau Thoben“, sagte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern vor dem Abgeordnetenhaus, „hat ebenso viel Bewegung mit sich gebracht wie ihr Rücktritt“.
Die erstaunlichsten jener Pirouetten, über die Diepgen sprach, vollzog der Regierende Bürgermeister gestern freilich selbst. In den vergangenen Wochen hatte er der damaligen Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) noch beharrlich die Rückendeckung für die nötigen Reformen in der Berliner Bühnenlandschaft verweigert. Vor dem Parlament präsentierte sich Diepgen plötzlich als Kultur-Retter par excellence.
Heftig kritisierte er – den verstorbenen Theatermann August Everding und Schaubühnen-Chef Jürgen Schitthelm zitierend – den „verbeamteten und vergewerkschafteten“ Theaterbetrieb und forderte mehr „Kostenbewusstsein“. Sogar von einem zusätzlichen Fonds für Abfindungen war jetzt auf einmal die Rede. Das Geld, das Thoben für die Sanierung der Museumsinsel fehlte, eiste Diepgen plötzlich aus dem Etat von Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) los, der gerade in den USA weilt. Und auch im Streit um die Beteiligung des Bundes an Berliner Kultureinrichtungen vollzog der Bürgermeister ein plötzliche Kehrtwende (siehe unten).
Auf kulturpolitischem Gebiet, das machte die Debatte klar, lag der Konflikt zwischen Diepgen und Thoben jedenfalls nicht. Die Christdemokratin, die Diepgen im Dezember selbst von Nordrhein-Westfalen nach Berlin holte, hatte sich vor dem Hintergrund der bundesweiten Unionskrise immer mehr zu einem Konkurrenten des Bürgermeisters und CDU-Landeschefs entwickelt.
Im Gezerre um einen Posten im Bundesvorstand der Partei musste Diepgen seine Bewerbung zurückziehen, weil er gegen Thobens Hausmacht im stärksten Landesverband keine Chance hatte. Wenn die Senatorin als Diepgen-Stellvertreterin einspringen musste, wie etwa bei der Eröffnung des Museums für Kommunikation vor zwei Wochen, durfte sie auf Geheiß des Bürgermeisters nicht einmal mehr das Wort ergreifen.
Auch ein Nachfolger darf freilich nicht allzu genau rechnen, will er mit Diepgens gestrigen Vorschlägen für den Kulturhaushalt glücklich werden. So stammen die Millionen für die Museumsinsel aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“, der eigentlich für wirtschaftsnahe Infrastruktur vorgesehen ist. Dass dazu in den Augen der Brüsseler Bürokraten auch Gemälde und Skulpturen zählen, gilt unter Experten als zweifelhaft. Auch der Abfindungsfonds, mit dem Diepgen die Bühnen von Personalkosten entlasten will, ist im Landeshaushalt für das Jahr 2000 noch nicht vorgesehen.
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