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Wie mache ich Strom selbst?

Ab jetzt gilt ein neues Energiegesetz. Der richtige Anlass, sich Gedanken über den ganz persönlichen Atomausstieg zu machen

von BERNWARD JANZING

Der persönliche Atomausstieg wird immer einfacher, weil die eigene Stromerzeugung immer attraktiver wird – sei es auf dem heimischen Hausdach oder mittels Anteilen an einer Gemeinschaftsanlage. Denn im April startet das Solarzeitalter. Sonne, Wasser, Wind und Biomasse werden durch das soeben verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz wirtschaftlich. Somit kann jeder, der den persönlichen Ausstieg will, künftig Ökostrom erzeugen – und oftmals sogar noch ein wenig Geld dabei verdienen.

1 Den eigenen Ökostrom-Typ herausfinden. Solarstrom bietet sich an für den High-Tech-Freund, Windkraft für den Ökonom, Biogas für den Freund von Natur und Landwirtschaft, und Wasserkraft für den Traditionalisten. Meist sind die Kriterien jedoch pragmatischer: Welche Energie lässt sich vor Ort nutzen?

2 Die Standortfrage klären. Für das eigene Grundstück bietet sich in der Regel allein die Sonne an. Denn ein Dach hat jedes Haus. Für Windkraft braucht man einen geeigneten Standort, möglichst hoch gelegen, unbewaldet und 500 Meter vom nächsten Wohngebiet entfernt; für Biogas einen landwirtschaftlichen Betrieb; für Wasserkraft einen Bach. Weil nicht jeder Freund des Ökostroms diese Bedingungen gerade auf dem eigenen Grundstück findet, heißt es zumeist: Ausschau halten, wo Gemeinschaftsanlagen angeboten werden. Jede ernsthafte Öko-Zeitschrift ist heute voll von Beteiligungsangeboten.

3 Soll es Sonne sein? Bei der Solarstromanlage muss man mit ungefähr 15.000 Mark Investitionen je Kilowatt rechnen. Unter einem Kilowatt lohnt sich der Aufwand nicht. Für jedes Kilowatt muss man zehn Quadratmeter Solarzellen rechnen. Für mehr als fünf Kilowatt ist auf einem Hausdach selten Platz. Jedes Kilowatt bringt im Jahr eine Ausbeute von etwa 800 bis 900 Kilowattstunden. Mit einer 3-Kilowatt-Anlage hat ein halbwegs sparsamer Vierpersonenhaushalt seinen Bedarf komplett solar gedeckt.

4 Oder doch lieber Wind? Windstrom kann man kaum in seinem Garten erzeugen, von Kleinstanlagen mal abgesehen. Zudem sind die Investitionen für Einzelpersonen in der Regel zu hoch – bis zu 3 Millionen Mark kostet ein großes Windrad heute. Beteiligungen an Gemeinschaftsanlagen bieten sich daher an. Als Faustregel gilt: Mit jeder investierten Mark wird jährlich eine Kilowattstunde Windstrom erzeugt. Wer also einmalig 3.000 Mark in einen Windpark steckt, erzeugt lebenslänglich genug Strom für einen mittleren Haushalt. Zudem gibt’s Steuervorteile.

5 Oder gar Wasser? Zwar sind auch Beteiligungen an Wasserkraftwerken auf lange Sicht wirtschaftlich sehr attraktiv, aber es gibt sie nur noch selten. Wer das Glück hat, noch ein Projekt zu finden, kann ähnlich kalkulieren wie beim Wind: Jede investierte Mark bringt bis zu einer Kilowattstunde Ertrag jährlich. Anteile an Wasserkraftwerken sind zudem eine gute Rentenversicherung, da die Werke oft eine Betriebsdauer von mehr als 50 Jahren erreichen.

6 Also doch besser Biogas? Hochattraktiv. Doch wer Biogas nutzen will, braucht Landwirtschaft (oder Bioabfälle). Man rechnet als Minimum 50 Kühe, oder eine vergleichbare Menge anderer Tiere (Experten sagen: 50 Großvieheinheiten). Jede Kuh bringt zwischen 1.000 und 2.000 Kilowattstunden Strom und damit 200 bis 400 Mark Einspeisevergütung im Jahr. Die Investitionssummen sind deutlich geringer als beim Wind: Mit 100.000 Mark kommt man beim Biogas schon sehr weit. Leider gibt es in Deutschland nur sehr wenige Beteiligungsmöglichkeiten an Biogasanlagen. Doch das wird sich in naher Zukunft vermutlich ändern, nachdem die Vergütung für Biogasstrom deutlich aufgestockt wurde.

7 Den Stromversorger in die Pflicht nehmen. Der muss nämlich mitmachen. Jeder Netzbetreiber muss den gesamten erzeugten Ökostrom in seine Netze aufnehmen. Das sagt das Gesetz.

8 Geld einstreichen. Die Vergütung ist festgeschrieben: 99 Pfennig erhält jeder Erzeuger für die Kilowattstunde Solarstrom, zwischen 12,1 und 17,8 Pfennig für Windstrom (je nach Standort der Anlage, weil man verhindern will, dass Betreiber an attraktiven Küstenstandorten allzu hohe Renditen erzielen), 20 Pfennig für Biogasstrom und 15 Pfennig für Wasserkraftstrom. Diese Beträge sind auf 20 Jahre gesichert – unabhängig von jedem Regierungswechsel. Damit sind Wind- und Wasserkraftwerke an guten Standorten wirtschaftlich, Biogasanlagen in angemessener Größe auch. Mit Solarstrom ist zwar noch immer nicht das große Geld zu verdienen. Doch wer über 20 Jahre rechnet, bekommt immerhin das investierte Geld wieder zurück. Mit zusätzlichen Förderprogrammen, wie dem 100.000-Dächer-Programm sogar schon früher.

9 Nicht übermütig werden. Brauche Sie einen Stromspeicher? Bloß keine dummen Gedanken – der effizienteste und billigste Stromspeicher ist das Stromnetz. Wenn Sie zeitweise Überschuss an Ökostrom haben, wird dieser eingespeist. Wenn Sie mehr Strom benötigen, als die Anlage hergibt, holen Sie sich den Rest aus dem Netz. Zwei Stromzähler registrieren Erzeugung und Verbrauch. Beides wird separat abgerechnet – eine saubere Sache. Sobald die Erzeugung den Verbrauch überschreitet, ist Ihr Ausstieg geglückt. Schnickschnack wie Batterien im Keller, die Solarstrom in trübe Winternächte retten sollen, kann man vergessen. Sie machen weder ökologisch noch ökonomisch Sinn.

10 Bloss nicht zu viel Papierkram. Für eine heimische Solaranlage brauchen Sie keine Genehmigung – auf Ihrem Privatdach können Sie so viele Solarzellen installieren, wie Sie wollen. Bei Wind, Wasser, Biogas braucht man natürlich eine Genehmigung. (Bei Windkraft, sobald die Anlage höher als zehn Meter ist – aber welche ist das nicht?) Wer sich an Gemeinschaftsanlagen beteiligt, hat mit dem ganzen Genehmigungskram nichts zu tun.

11 Sich helfen lassen. Für Solarstromanlagen gibt die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen des 100.000-Dächer-Programms einen zinslosen Kredit über zehn Jahre. Anträge werden über die Hausbank eingereicht. Einfach dort nachfragen – gute Banken wickeln den Antrag schnell und unkompliziert ab. Darüber hinaus gibt es vom Bundesamt für Wirtschaft Zuschüsse für Solarkollektoranlagen (Achtung: Die liefern keinen Strom, sondern warmes Wasser), außerdem für Biomasseheizungen (etwa Holzpellets), und Solarstromanlagen an Schulen. Oft lohnt sich die Nachfrage beim örtlichen Stromversorger. Stadtwerke haben manchmal eigene Förderprogramme.

12 Nicht zuviel Steuern zahlen. Bei Beteiligungen an Gemeinschaftsanlagen gibt es in den ersten Jahren üblicherweise Verlustzuweisungen. Man ist schließlich Unternehmer, und kann die Anfangsverluste aus seinem Nebengewerbe Stromerzeugung mit den Einkünften aus seinem eigentlichen Beruf verrechnen. Je nach Steuerklasse kann das sehr attraktiv sein – dennoch sollte dies nicht die einzige Motivation sein, in Ökostrom zu investieren. Aber auch die heimische Solaranlage kann inzwischen als Gewerbe deklariert werden. Ein höchstrichterliches Urteil der Finanzgerichte steht zwar noch aus, aber immer mehr Finanzämter akzeptieren inzwischen bei Solaranlagen eine „Gewinnerzielungsabsicht“. Das hat zur Folge: Man bekommt die Mehrwertsteuer zurück, und man kann die Anfangsverluste steuerlich absetzen.

13 Mit der Anlage alt werden. Bei Windkraftanlagen rechnet man 20 Jahre, bei Solaranlagen ebenfalls. Manche Hersteller geben für ihre Solarmodule inzwischen bis zu 25 Jahre Garantie. Hin und wieder Probleme bereitet allein der Wechselrichter, der den Gleichstrom aus den Solarzellen in netzkompatiblen Wechselstrom umwandelt. Aber auch hier hat es in den vergangenen Jahren Fortschritte gegeben. Manche Zeitgenossen verkünden immer noch, eine Solarzelle brauche mehr Energie zur Herstellung, als sie jemals erzeugen kann – billige Propaganda der Atomlobby. Fakt ist: Nach etwa vier Jahren haben die Zellen die Herstellungsenergie bereits geerntet. Bei Windkraftanlagen bemisst sich der Zeitraum bis zur energetischen Amortisation sogar nur in Monaten.

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