„Hauptsache, Jahn ist weg“

Zeichen setzen: Eimsbütteler Gesamtschule sucht sich einen neuen Namen  ■ Von Heike Dierbach

„Die Schüler der Jahn-Schule tragen auf ihrem Turnanzug das alte Jahnsche Turnerkreuz: 4 F in Hakenkreuzform. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß jüdische Kinder mit diesem alten völkischen Turnabzeichen auf der Brust herumlaufen“. Mit dieser Begründung forderte der NSDAP-Kreisleiter Brandt im Dezember 1934 die Jahnschule an der Eimsbütteler Bogenstraße auf, ihre 29 „nichtarischen“ Schüler der Schule zu verweisen. Die Schule müsse ähnlich wie die „Adolf-Hitler-Schule“ Vorreiter sein – war doch „Turnvater Jahn“ „einer unserer ersten Vorkämpfer für eine reine Rasse und für ein deutsches Volkstum“. Und aus eben diesem Grund will die Jahnschule 66 Jahre nach 1934 als integrative Gesamtschule nicht mehr so heißen: Heute abend startet sie die „Wahl“ für einen neuen Namen.

Den Stein ins Rollen brachte vor dreieinhalb Jahren der Hamburger Historiker Matthias Heyl. Auf einem Pädagogischen Forum an der Jahnschule zu „Schule und Faschismus“ fragte er: „Und dieser Schulname?“ SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen gründeten die Gruppe „Spuren suchen, Mut machen, Zeichen setzen“, luden Experten zur Person Friedrich Ludwig Jahn ein und fanden schnell die Antwort: „Jahn hat ausgeturnt.“

Grund ist für sie nicht allein, dass die Schule unter den Nationalsozialisten nach Jahn benannt wurde und diese sich positiv auf ihn bezogen. Jahn selbst, schreibt die Steue-rungsgruppe Neuer Schulname, „verabscheute Ausländer und alles Fremde, er war überheblich und rassistisch in seinem Eintreten für das deutsche Volkstum“. So verkündete er beispielsweise 1810: „Mischlinge von Tieren haben keine echte Fortpflanzungskraft, und ebensowenig Blendlingsvölker ein eigenes volkstümliches Fortleben“. Polen, Franzosen und Juden seien „ein Unglück für Deutschland“. Das „Dritte Reich verdankt dem Turnvater viel“, revanchierte sich Adolf Hitler auf dem 15. Deutschen Turnfest 1933 in Stuttgart.

Dass seine Schule heute noch nach Jahn benannt ist, findet Till Seidensticker ein „Unding“. Deshalb engagiert sich der 16-Jährige für die Umbennenung. Nicht alle waren sofort dafür, erinnert er sich, „aber die Fakten haben dann schnell überzeugt“. Heute besteht „große Einigkeit“ über die Änderung, sagt Schulleiterin Christa Carl.

Nachdem die Schulkonferenz im November 1997 einstimmig beschlossen hatte, den Namen Jahn abzulegen, startete die Suche nach einem neuen. Die JahrgangssprecherInnen der Oberstufe erarbeiteten Kriterien. Die neue PatronIn soll für „Ziele wie Gleichberechtigung, Integration“ stehen, sie soll unter anderem Position bezogen haben gegen Rassismus und Ausgrenzung. Der Name soll verdeutlichen, wofür die Schule heute steht: Unter anderem für „solidarisches Miteinander“, für „Offenheit für die Vielfalt von Fremdem und Neuem“. Alle Vorschläge mussten ausführlich begründet werden.

Nun haben SchülerInnen, Eltern, und MitarbeiterInnen der Schule die Wahl zwischen Alma de L'Aigle (Hamburger Lehrerin im Widerstand), Hannah Arendt (Schriftstellerin), Willy Brandt (ehemaliger Bundeskanzler), Ida Ehre (Schauspielerin), Hans Henny Jahnn (Schriftsteller und Orgelbauer), Margarete Susman (Schriftstellerin), Herbert Weichmann (ehemaliger Hamburger Bürgermeister) und den Namen „Gesamtschule Eimsbüttel“ und „Gesamtschule am Grindel“.

Die „Wahl“ in dieser Woche ist aber zunächst nur ein Meinungsbild. Die endgültige Entscheidung fällen SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und MitarbeiterInnen in der Schulkonferenz, voraussichtlich im Mai. Spätestens zum jährlichen Nicaraguafest im Juni soll der neue Name feststehen.

Till Seidensticker ist es nicht so wichtig, wie seine Schule künftig heißt: „Hauptsache, Jahn ist weg.“ Er hofft, dass das Beispiel Schule macht – zum Beispiel bei der Jahnkampfbahn am Jahnring in Winterhude.

Öffentliche Auftaktveranstaltung zur Wahl mit Kabarett, ZeitzeugInnen und Diskussion heute um 19 Uhr in der (Noch-)Jahnschule, Bogenstraße 36.