piwik no script img

SPD beäugt Koalitionspartner

Innenminister Schily bemüht sich zu erklären, warum der Verfassungsschutz die PDS weiter beobachten muss – obwohl die SPD in Mecklenburg-Vorpommern mit den Sozialisten koaliert. Grüne warnen vor rechter Gewalt

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

„Es liegt an der PDS selbst“, sagt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Erst wenn sie sich von extremen Gruppen wie der Kommunistischen Plattform distanziere, müsse sie nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden. „1999 gab es dafür aber keine Anzeichen“, stellte Schily gestern bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes fest.

Ganz sicher ist sich der Innenminister allerdings nicht: „Neuerdings gab es etwas anderslautende Äußerungen von PDS-Parteichef Bisky, die zu bewerten man abwarten muss.“ Der Sozialdemokrat Schily tut sich zunehmend schwer damit, zu erklären, warum der Verfassungsschutz weiter zahlreiche Mitarbeiter auf die PDS ansetzt. Schließlich arbeitet die SPD in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt seit Jahren mit den Sozialisten zusammen.

Nachdem es bereits im Vorfeld heftige Kritik an der Bespitzelung der PDS gegeben hatte, wich Schily mehrmals von seinem Redemanuskript ab, um auf die „extremistischen Strukturen“ des Koalitionspartners einzugehen. Als Beleg führte er Äußerungen von PDS-Geschäftsführer Dietmar Bartsch an – der hatte sich in einem Zeitungsinterview dafür ausgesprochen, „dass es Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS gibt und dass die sich einmischen“. Auch die meisten anderen „Anhaltspunkte“ für verfassungsgefährdende Tendenzen der PDS sind öffentlichen Papieren und Programmen zu entnehmen. Nicht nur die PDS selbst fragt sich deshalb, warum sich ausgebildete Geheimdienstler damit beschäftigen müssen.

Auch die grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir und Christian Ströbele kritisierten gestern die Kommunistenjagd der Verfassungsschützer als „althergebrachte Beschäftigungstherapie“. „Ein Amt, das es noch immer für nötig hält, hier seine Erfüllung zu finden, liefert den Beweis für seine Reformbedürftigkeit.“

Nach Meinung der Grünen bringt der Verfassungsschutzbericht „wenig neue Erkenntnisse, aber auch wenig Anlass zur Beruhigung“. Damit ist die Zunahme rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten gemeint, die 1999 gegenüber dem Vorjahr um 5,4 Prozent auf 764 anstiegen (taz berichtete gestern). Auch die Zahl der Skinheads und gewaltbereiten Personen nahm zu – vor allem im Osten. Bei aller Sorge um die Machenschaften der PDS liegt deshalb auch für Schily der „Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes eindeutig bei der Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen“.

Wer den Dienst in Zukunft leiten soll, wollte Schily nicht verraten. Die Grünen kamen ihm zuvor. In einer Pressemitteilung gratulierten sie dem innenpolitischen Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, herzlich „zu seiner Ernennung zum neuen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen