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Ein Verteidiger darf alles?

Der BGH muss entscheiden, ob Ludwig Bock als Anwalt des ehemaligen NPD-Vorsitzenden selbst den Holocaust verharmloste – oder nur seine Pflicht tat

BERLIN taz ■ Darf ein Strafverteidiger in Ausübung seiner Tätigkeit den Holocaust verharmlosen? Mit dieser Frage beschäftigte sich gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Zur Prüfung steht der Fall des rechtsextremen Mannheimer Anwalts Ludwig Bock. Bock hatte 1997 vor dem Landgericht Mannheim den ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günther Deckert verteidigt.

Auch Deckert stand damals wegen Volksverhetzung vor Gericht, weil er die Massenvernichtung an den europäischen Juden geleugnet hatte. In einigen Dutzend Beweisanträgen versuchten Deckert und sein Anwalt zu belegen, dass es sich dabei lediglich um eine von Juden erfundene „Legende“ handele. Bei fast jedem der Beweisanträge fügte Bock sicherheitshalber hinzu, dass er damit keineswegs den Holocaust generell leugne. Als die Stimmung gegen Ende der Verhandlung immer hektischer wurde, vergaß Bock bei einem weiteren Beweisantrag diesen Zusatz jedoch. In diesem Antrag unterstellte er, deutsche Politiker legitimierten ihre „einzigartige politische Unfähigkeit“ mit „der ‚Einzigartigkeit der deutschen Schuld‘“.

Bock wurde deswegen zwei Jahre später wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 9.000 Mark verurteilt. Bock habe mit seinem Beweisantrag unterstellt, dass der Holocaust „nicht in geschichtlich anerkanntem Maße“ stattgefunden habe, urteilte das Mannheimer Landgericht. Aufgrund der von Bock eingelegten Revision muss der BGH nun entscheiden, wie weit ein Verteidiger in derartigen Prozessen gehen darf.

Für Bocks Verteidiger in Karlsruhe, Norbert Wingerter, ist klar, dass ein Anwalt hier Privilegien genießt: „Ein Verteidiger muß verharmlosen, das ist seine Aufgabe.“ So dürfe ein Anwalt etwa bei der Verteidigung eines Bankräubers durchaus darauf hinweisen, „dass hier niemand in Armut gestürzt wurde“. Ein Strafverteidiger müsse auch das „Unerhörte“ sagen dürfen, argumentierte Wingerter, sonst habe man „Prozesse wie vor dem Volksgerichtshof“, wo die Anwälte auch nur schweigen und dem Staatsanwalt zustimmen durften.

Dagegen hielt Bundesanwalt Christian Ritscher die Verurteilung Bocks für sachgerecht. Der fragliche Beweisantrag habe mit Strafverteidigung nichts mehr zu tun, weil er von vornherein „aussichtslos“ war. Seine „polemische“ Form zeige vielmehr, dass es sich lediglich um eine „persönliche Meinungsäußerung“ Bocks gehandelt habe. Bock selbst war gestern zwar zur Verhandlung erschienen, machte von seinem Rederecht jedoch keinen Gebrauch. Der Senatsvorsitzende Gerhard Schäfer zeigte sich wenig begeistert über das Verfahren und erinnerte daran, dass Verteidiger in Prozessen wegen Ausschwitz-Leugnung „noch nie“ belangt wurden. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er das auch durchaus richtig fand. Allerdings konnte ihm auch Bocks Verteidiger nicht erklären, welche strafprozessualen Ziele der umstrittene Beweisantrag eigentlich hatte.

Keine leichte Entscheidung für den BGH also. Das Urteil wird am Donnerstag verkündet.

Christian Rath

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