: Obduktions- und andere Tische
BERLIN taz ■ „Der einzige Tisch, an dem man sich mit Haider sehen lassen kann, ist der Obduktionstisch, auf dem er liegt“ – der Satz von Wiglaf Droste, entnommen seinem am 8. Februar in der taz veröffentlichten Kommentar „Wie man Haider siegen lässt“, dieser denkwürdige Satz nun zieht immer weitere Kreise und beschäftigt jetzt sogar die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM).
Heute wird deren Medienrat, zuständig für die Vergabe von Frequenzen für Rundfunk und Fernsehen im Freistaat, über eine Beschwerde gegen das Münchener Privatradio Lora beraten: Der Sender, der sich als Instrument der „Gegenöffentlichkeit“ versteht, hatte Drostes Text von einem Mitarbeiter verlesen lassen. Ein leibhaftiger Medienrat nahm Anstoß – und legte Beschwerde wegen „Programmverstoßes durch Ehrverletzung“ ein. Der zuständige Hörfunkausschuss konnte zwar keinen Verstoß entdecken, dennoch wird der Fall heute satzungsgemäß vor der übergeordneten Instanz verhandelt, dem Medienrat.
„Der Text war mit einem Jingle eindeutig als Glosse gekennzeichnet“, sagt Eckart Thiel, einer der Geschäftsführer von Lora. BLM-Sprecher Wolfgang Flieger hält dagegen, dass sich der Leser des Textes nicht von seinem Inhalt distanziert habe. Der Kommentar sei daher „wie ein redaktioneller Beitrag“ zu behandeln.
Dabei hat der Text schon jetzt eine erstaunliche Karriere hinter sich. Droste selbst hatte ihn in der WDR-Hörfunksendung „Kritisches Tagebuch“ verlesen – der zuständige Redakteur konnte sich aber trotz Hörerprotesten vor dem Intendanten rechtfertigen. Auch die ARD-Presseschau zitierte unverdrossen, und selbst in Österreich fanden Drostes Auslassungen Publizität in beiden Lagern – sowohl bei der FPÖ-nahen Zur Zeit als auch im liberaleren Standard.
Sorgen muss sich jetzt ausgerechnet Radio Lora: Demnächst laufen die Genehmigungsfristen für die Münchener Radiofrequenzen aus, die Station will eine Verdoppelung ihrer Sendezeiten beantragen. Darüber aber hat die BLM zu entscheiden. Und dort hat mit der CSU die einzige deutsche Partei das Sagen, die sich ganz gerne mit Haider an einen Tisch setzt. ARNO FRANK
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