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„Politisch notwendig“

Der ostdeutsche Intellektuelle Hans-Jochen Tschiche sieht in der öffentlichen Verwertung der Stasi-Abhörprotokolle einen Akt der politischen Hygiene

taz: Der Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre steht vor der Frage, ob er die Stasi-Protokolle der Gespräche von Helmut Kohl und anderen benutzen soll. Was spricht dagegen?

Hans-Jochen Tschiche: Ich habe dagegen zunächst juristische Bedenken. Erkenntnisse, die durch Geheimdienste zustande gekommen sind, sollte man eigentlich nicht verwenden.

Wann sollte man denn die ans Licht gekommenen Stasi-Erkenntnisse zugänglich machen?

Man sollte solche Unterlagen prinzipiell für die historische Forschung zugänglich machen. Aber es ist auch wichtig, um bisher ungeklärte Tatbestände klären zu können. Es ist ja im Osten so gewesen, dass die Medien immer wieder versucht haben, über die Stasi-Verstrickungen des Brandenburger Ministerpräsidenten Stolpe Klarheit zu bekommen. Dazu braucht man auch die Stasi-Akten. Ich weiß nicht so recht, warum man jetzt bei ungeklärten Tabeständen im Westen eine Ausnahme machen sollte. Nur weil es um Kohls schwarze Kassen geht?

Einerseits sagen Sie, Sie hätten Bedenken, andererseits, es dürfe keine Ausnahme Kohl geben.

Das ist eine Frage der politischen Hygiene. Also, ich wäre damit einverstanden, dass Stasi-Unterlagen verwertet werden. Vor allem, wenn ich von meiner Unschuld ausgehe.

Worin besteht die Ungleichbehandlung von Ost und West?

Im Osten sind Spitzelberichte und auch reine Namensregistrierkarten immer benutzt worden bei Leuten, die im politischen Rampenlicht stehen – um nachzuweisen, dass sie mit der Stasi in Verbindung standen oder irgendwelche unlauteren Sachen begingen. Trotz aller Bedenken im Detail sehe ich die Notwendigkeit, dass wir uns mit Hilfe der Stasi-Unterlagen über unsere gemeinsame Geschichte klar werden.

Welche Motive unterstellen Sie denen, die die Verwertung der Akten ablehnen?

Na, offenbar ist es doch so, dass die Sachen brisant sind.

Der Untersuchungsausschuss für die illegalen Parteispenden verwendet die Akten bisher nicht – obwohl er es könnte. Was halten Sie davon, dass Wissenschaftler auf eigene Faust in den Spendenakten recherchieren?

Das ist ohnehin möglich. Und ich halte es auch für gerechtfertigt. Nicht um nachzutreten. Mein Problem ist: Den Schutz, den westdeutsche Politiker jetzt für sich beanspruchen, haben ostdeutsche nie erfahren. Diese Ungleichbehandlung darf nicht geschehen.

Interview: CHRISTIAN FÜLLER

Fotohinweis:Hans-Jochen Tschiche (70), bis 1998 bündnisgrüner Fraktionschef in Sachsen-AnhaltFOTO: A. SCHOELZEL

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