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Frühling in Teheran, Frost in Berlin

Heute beginnt in Berlin eine Konferenz zum „Iran nach den Wahlen“. Doch die Gästeliste sorgt für Verstimmung unter Exilintellektuellen

von FLORIAN HARMSund DANIEL BAX

Für die Internationale Liga für Menschenrechte ist die Sache klar. „Die aus Iran geladenen Gäste gehören einseitig dem Chatami-Spektrum an. Die Organisatoren zeigen damit, dass sie keine Distanz zur iranischen Regierungspolitik halten“, lässt der Verein in einer Presseerklärung verlauten. Und auch der prominente Publizist Faradsch Sarkuhi hat Vorbehalte gegen die Irankonferenz, die an diesem Wochenende in Berlin stattfindet. Im Iran wurde Sarkuhi 1996 verhaftet und im Gefängnis gefoltert. Nach anderthalb Jahren Haft konnte er, auf internationalen Druck, 1998 nach Deutschland ausreisen. Gegenüber der taz kritisiert er, „dass die Konferenz wichtige kulturelle und politische Tendenzen in Iran, Menschenrechtsfragen und die geistigen Tendenzen der drei Millionen Exiliraner sogar vollkommen ausschließt“.

Der Streit schwelt schon, bevor die Kongresshalle, mitten im frühlingshaften Berliner Tiergarten gelegen, für drei Tage zum Schauplatz einer Iran-Konferenz wird, wie es sie so noch nicht gegeben hat. So viele Intellektuelle aus dem Iran haben sich noch nie außerhalb des Landes zu einer Tagung getroffen, seit ihr Staat eine „islamische Republik“ ist.

Wenn die Gäste aus Teheran mit ihren deutschen Gesprächspartnern über die Lage nach den Wahlen in ihrem Land debattieren, können sie sich großer Aufmerksamkeit sicher sein. Rund 120.000 Iraner leben derzeit in Deutschland, die eingebürgerten Exiliraner gar nicht mit einberechnet. Die Bundesrepublik war eben stets eine der ersten Adressen für Menschen, die aus dem Iran flohen, sei es während des Schah-Regimes oder nach der Revolution von 1979. Nicht alle haben Verständnis dafür, dass im Berliner Haus der Kulturen der Welt auch manchem Repräsentanten des Mullah-Staats ein Forum geboten werden soll.

Schließlich sind im Iran, auch nachdem mit Chatami ein Hoffnungsträger der Opposition die Macht erobern konnte, Menschenrechtsverletzungen noch immer aktuell: Schriftsteller, Politiker und Studenten werden unter ungeklärten Umständen ermordet, „Ehebrecherinnen“ gesteinigt und religiöse Minderheiten verfolgt. Bei den Organisatoren der Heinrich-Böll-Stiftung sind Drohungen eingegangen, die Konferenz zu sprengen; die Sicherheitsvorkehrungen sind entsprechend hoch.

Dabei haben die Veranstalter alles eingeladen, was im iranischen Reformlager Rang und Namen hat: Journalisten der großen Tageszeitungen, eher säkulare Schriftsteller, Juristen, Umweltrechtler, Anwälte und Parlamentsabgeordnete; mit Jamileh Kadivar ist sogar eine ehemalige Beraterin von Staatspräsident Chatami dabei. Dass alle ihre Ausreisegenehmigungen erhielten, ist schon eine kleine Sensation. Von deutscher Seite nehmen Wissenschaftler, Journalisten und die Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Rita Grießhaber, teil.

Neben anderen fühlen sich jene Exiliraner, denen der Chatami-Kurs noch nicht weit genug geht, bei der Konferenz ungenügend vertreten. Faradsch Sarkuhi, der heute in Frankfurt lebt, hat diese Kritik offen formuliert. Leute wie er oder Parvin Ardalan (siehe Interview), die auch das politische System des Iran diskutieren, fehlen auf dem Podium. Solche Kritiker finden sich unter den Exiliranern. Sie können offen aussprechen, was Journalisten und Schriftsteller in Iran bestenfalls andeuten oder metaphorisch ausdrücken können.

Unter Exiliranern kursiert unterdessen das Gerücht, die iranische Botschaft hätte bei der Auswahl der Gäste mitgeredet. „Völliger Unsinn“, sagt Michael Alvarez, der Pressesprecher der Böll-Stiftung, die Auswahl der Gäste sei vielmehr ganz im Sinne des Konzepts. Der Böll-Stiftung geht es darum, einen Dialog zwischen Reformkräften inner- und außerhalb des islamischen Lagers anzustoßen und die Aussichten auf eine Liberalisierung innerhalb der bestehenden Grenzen des Systems zu diskutieren.

Manchem ist das nicht genug, und Misstrauen herrscht auch gegen einige Parteigänger jener religiösen Reformer um Chatami, die neben dem Parlament mittlerweile auch andere wichtige Institutionen in Iran besetzen. Denn auch viele frühere Anhänger des Revolutionsführers Ajatollah Chomeini haben sich den Reformern angeschlossen – einige davon sind Wendehälse, andere sind glaubwürdig gereift. Eine schillernde Gestalt ist etwa der Publizist Akbar Gandschi. Heute ist der studierte Soziologe, der sich vehement für Regimekritiker einsetzt, einer der gefährdetsten Journalisten Irans. Seine Vergangenheit ist allerdings weniger ruhmreich: Als Leibwächter Chomeinis werden ihm Folterungen vorgeworfen, etwa an Aktivisten der aserbaidschanischen Minderheit im Iran. Akbar Gandschi wird sich auf dem Podium zur Presse- und Meinungsfreiheit im Iran äußern.

Heute ab 18 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin. Das Tagungsprogramm steht im Internet unter www.boell.de

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