: Wanted: Der Dozent in Echtzeit
Eine empirische Studie der Universität Mannheim belegt: Der durchschnittliche Student arbeitet zwar seit sechs Jahren am Computer, virtuell unterrichtet werden will er deswegen aber noch lange nicht
Virtuelle Lehre avanciert zum Modewort. Lernen mit Internet, E-Mail und CD-ROM scheint die Zukunft der Wissensvermittlung zu sein. Gerade im Studium. Kein Problem, gelten doch die Jungen – zumal die gebildeten – als aufgeschlossen, offen gegenüber technischen Innovationen und im spielerischen Umgang mit dem Internet den Älteren meilenweit voraus.
Ganz so ist es aber nicht: Studierende sind zwar technisch gut ausgestattet, vertraut mit Computer und World Wide Web. Sie nutzen diese Medien gerne, um Wissen aufzunehmen. Doch sie sind skeptisch, wenn es darum geht, Präsenzseminare durch Online-Vorlesungen oder Bildschirmkonferenzen zu ersetzen. 61 Prozent befürchten, den Kontakt zu Dozenten und Kommilitonen zu verlieren. Das macht ihnen Angst.
Das ist jedenfalls das Fazit einer Umfrage der Universität Mannheim: „Problematische Ausgangsbedingungen bestehen bei Einstellungen der Studierenden. Dies könnte ein ernsthaftes Hindernis bei der Implementierung von Uni-Teleteaching sein.“ Mitarbeiter des Fachbereichs Medien- und Kommunikationswissenschaft haben im Dezember 1998 sowie 1999 Studierende an vier baden-württembergischen Hochschulen befragt. Die Umfrage ist Teil des Projekts Virtuelle Hochschule RheinOberrhein (VIROR) in Baden-Württemberg.
„Unsere Evaluation ist die erste medien- und kommunikationswissenschaftliche Begleitforschung über virtuelle Studienangebote“, sagt Stefan Weiler, der mit seiner Kollegin Margot Berghaus die Studie geleitet hat. „Wir wollten wissen, welche Zugangsmöglichkeiten die Studierenden zu PC und Internet haben und welche Erfahrungen sie bislang im Umgang mit dem Medium machten.“
Die Ausgangsthese: Kompetenz im Umgang mit interaktiven Medien wird zu einer Basisqualifikation wie Lesen und Schreiben, die künftig alle beherrschen müssen. Im Vergleich zur Bevölkerung sind Studierende besser „alphaBITisiert“. Die erste repräsentative Stichprobe erfasste 1.026 Studierende der Universitäten Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe und Freiburg. In die Panel-Umfrage ein Jahr darauf gingen die Antworten von 660 Studenten ein. 43 Prozent der Befragten sind weiblich, 57 männlich. 44 Prozent gehören technikfernen Disziplinen wie Sprach- und Kulturwissenschaft an, 30 Prozent kommen aus Fächern wie Medizin oder Wirtschaftswissenschaften, die übrigen studieren Fächer, die einen engen Bezug zu Technik haben, etwa Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau.
Die Studie zeigt: An der Ausstattung hapert es nicht. 84 Prozent der Studierenden haben einen eigenen Computer. Zwei Drittel verfügen über ein multimediataugliches PC-Equipment, 38 Prozent haben einen eigenen Internet-Zugang. 89 Prozent können PCs an der Universität benutzen. Allerdings heißt das nicht, dass diese Computer leicht zugänglich sind. Zwar können sich 56 Prozent ohne Probleme an den Uni-Rechner setzen, doch mehr als ein Drittel berichtet von zeitlichen Einschränkungen. Jeder Zehnte schaltet täglich einen Uni-Rechner ein.
Fremd ist der Umgang mit den Computern den Studierenden nicht. Mehr als die Hälfte von ihnen nutzt seit sechs Jahren oder länger PCs, ein Fünftel blickt auf eine Erfahrung von vier bis sechs Jahren zurück. Für die meisten ist der Computer längst Bestandteil des täglichen Lebens, beinahe die Hälfte schaltet ihren PC täglich ein, jeder Zehnte surft jeden Tag im Netz und drei Viertel laden sich Dateien aus dem Internet herunter. Privat arbeiten die Studenten eher offline, in der Universität klicken sie sich gern ins Netz.
Zwischenbilanz: Die Studierenden bringen gute Voraussetzungen für das Studium mit dem PC mit. Ihre Grundeinstellung ist positiv. Weniger optimistisch sind die Studierenden in der Einschätzung der Angebote ihrer Universität. Zwar bieten viele Universitäten allgemeine Informationen. Doch es hapert an fachspezifischen Angeboten im Netz, Begleitmaterial zu Lehrveranstaltungen. Ausnahme sind Lehrveranstaltungen im Web.
Während sich die Studierenden wünschen, dass das Internet mehr für allgemeine und fachspezifische Informationen eingesetzt wird, und sie manche Lehrstoffe sehr gern über interaktive Medien lernen würden, sind sie an Vorlesungen im Netz kaum interessiert. 61 Prozent haben Bedenken, dass sie damit die Beziehungen zu Kommilitonen und Dozenten verlieren könnten.
Fazit: „Die Studenten haben Angst, dass Online-Angebote die Präsenzuni ersetzen“, resümiert Weiler. „Diese Ängste müssen wir ernst nehmen und abbauen, wenn die Online-Lehre als ergänzendes Angebot eine Chance haben soll.“ BARBARA FRIEDHELMI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen