VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM REHABILITIERT HOMOSEXUELLEN OFFIZIER: Wärmere Republik
Diese außergerichtliche Einigung markiert einen Einschnitt in der Geschichte der Bundeswehr, mehr noch: im Verständnis der politischen Eliten der Bundesrepublik überhaupt. Die Entscheidung der sozialdemokratisch geführten Hardthöhe, den von ihr selbst wegen seiner Homosexualität bestraften Offizier Winfried Stecher in aller Form zu rehabilitieren und ihn auf seinen Posten als Ausbilder zurückzubitten, ist deswegen historisch, weil damit erstmals eine der heterosexuell-männlichsten Institutionen der Republik zum Ausdruck bringt, Homosexualität für eine gewöhnliche sexuelle Orientierung zu halten – und nicht für einen zu versteckenden Makel.
Um die Tragweite dieser Entscheidung zu ermessen, sei nur an den Fall des General Kießling erinnert, der in den ersten Jahren der Regierung Kohl vom Dienst suspendiert wurde, weil er als mutmaßlicher Homosexueller in Rotlichtkreise geraten und somit nicht Träger von Militärgeheimnissen sein könne. Der aus seiner Sicht entehrte General verteidigte sich mit dem Hinweis, nicht schwul zu sein. Das wird jetzt unnötig sein: Schwule sind keine Bundeswehrangehörigen zweiter Klasse mehr, weil Homosexualität nicht ehrenrührig ist. Der couragierte Soldat Winfried Stecher ist zum Symbol eines demokratischen Soldaten geworden, der nicht kuscht und sich von keiner Dienststelle deckeln lässt. Dies wird anderen Homosexuellen in welchen Lebensbereichen auch immer Mut machen, ein wenig unverschämter aufzutreten.
Die Republik ist mit dieser, für die rot-grüne Ära typischen Geste wieder ein Stück wärmer geworden. Mittlerweile sind oder werden Dinge Realität, die noch vor zwanzig Jahren für undenkbar gehalten worden wären: Im Bundestag bedauert selbst die Union das Schicksal der Homosexuellen unter dem Naziregime, ebenso die drakonischen Urteile gegen schwule Männer bis 1969. Das Außenministerium schreibt in einer Dienstanweisung, dass homosexuelle Mitglieder des diplomatischen Corps sich bitte nicht mehr verstecken mögen, sondern erwartet, dass deren PartnerInnen wie bei heterosexuellen Diplomaten auch repräsentative Pflichten übernehmen.
Demnächst wird das Gesetz zur Legalisierung von homosexuellen Partnerschaften beraten. Wie man hört, zeigt sich das Justizministerium milder gestimmt denn je, eine Lösung zu finden, die schwule Männer und lesbische Frauen nicht weiter diskriminiert. Die Mühlen mahlen langsam, aber sie stehen nicht still. Das ist ein Anlass zum Feiern, nicht nur für den schwulen Soldaten Winfried Stecher und seinen Mann. JAN FEDDERSEN
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