: Nicht für die Schule streiken wir . . .
. . . sondern fürs Leben. Vor dem heutigen Lehrerstreik machen die Streikgegner noch einmal mobil. Eberhard Diepgen warnt eindringlich, Klaus Landowsky vergleicht genüsslich, und Klaus Böger besucht natürlich die Streikbrecher
von JULIA NAUMANN
Vor dem heutigen Lehrerstreik haben die Kontrahenten noch einmal alle Geschütze aufgefahren. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) warnte die Lehrer eindringlich davor, am Streik teilzunehmen. Es sei ein „Tritt vor das Schienbein aller Demokraten, gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten mit rechtswidrigen Mitteln zu protestieren“.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky nannte die Lehrer, die in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft organisiert sind, „eine alte 68er Crew, die sich in der Schule festgebissen hat“. Die Koalition werde „nicht einknicken“. Schulsenator Klaus Böger (SPD) drohte gestern noch einmal mit Gehaltskürzungen, einem Eintrag in die Personalakte und nannte den Streik „unerträglich“. Jedoch sei mit der Erhöhung der Arbeitszeit um eine Stunde jetzt auch das „Ende der Fahnenstange, die Grenze des Erträglichen erreicht“, betonte er. Jetzt sollten kontinuierlich junge Lehrkräfte eingestellt werden.
Um seinem Protest gegen den Streik Ausdruck zu verleihen, wird Böger heute eine Grundschule in Britz besuchen, in der ausdrücklich nicht gestreikt wird. Dort will er mit Lehrern und Eltern über die Bildungssituation diskutieren.
Die GEW machte darauf aufmerksam, dass immer mehr „Kollegen empört seien“, dass trotz der Proteste „immer weiter auf Abbau gesetzt wird“, so ihr Vorsitzender Uli Thöne. Von den Koalitionären SPD und CDU sei bis Mitte Dezember signalisiert worden, dass im Schulbereich nicht gespart werde.
Thöne geht davon aus, dass 10.000 der rund 33.000 Lehrer streiken werden. „Wir wollen mit dem Streik eine Änderung in der Schulpolitik erreichen“, betonte er. Auf einer Vollversammlung am Montagabend, an der 700 Lehrer teilgenommen hatten, sei eine „große Entschlossenheit zum Streiken“ spürbar gewesen.
Morgen wird im Abgeordnetenhaus der diesjährige Haushalt verabschiedet. Im Haushaltsanierungsgesetz ist die Erhöhung der Arbeitszeit um eine Stunde festgeschrieben worden. Die Abstimmung darüber ist aber nur noch eine Formsache: „Die Arbeitszeiterhöhung kommt, das ist beschlossene Sache von SPD und CDU“, sagte Bögers Sprecher, Thomas John. „Das ist ein Sparbeitrag, um den wir nicht herumgekommen sind.“
Dennoch geht GEW-Chef Thöne von einem „erheblichen Spielraum“ aus, den die Abgeordneten bei der Abstimmung hätten. Er sagte aber auch: „Ob sich heute und morgen noch etwas ändern wird, weiß ich nicht.“ Für den Fall, dass das Abgeordnetenhaus die Arbeitszeitverlängerung beschließe, würden alle rechtliche Schritte geprüft, um dagegen vorzugehen, kündigte Thöne an.
Thöne betonte, dass es bei dem Streik nicht in erster Linie darum gehe, „die Haut der Lehrer zu retten“. Es ginge um grundsätzliche schulpolitische Veränderungen. Lang- und mittelfristige Lösungen gebe es aber nur, wenn man mit den Betroffenen verhandele.
Vorschläge, in welchen Bereichen gespart werden könnte, anstatt die Lehrer weiter zu belasten, konnte Thöne nicht nennen. Der Bildungsbereich dürfe es auf jeden Fall nicht sein. „Das schadet uns allen“, sagte Thöne.
Der stellvertretende Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftbundes, Bernd Rissmann, sagte, der Streik sei kein Rechtsbruch. In der Berliner Verfassung sei das Streikrecht für alle Männer und Frauen verankert. Rissmann kritisierte außerdem die „unerträgliche Haltung“ des Beamtenbundes, der sich gegen den Streik gewandt hatte. Sie würde sich in „peinlicher Weise beim öffentlichen Arbeitgeber anbiedern. Der Hauptpersonalrat erklärte ebenfalls seine Solidarität mit den Lehrern.
Bereits in der vergangen Woche waren rund 10.000 Pädagogen aus Protest gegen die Arbeitszeitverlängerung auf die Straße gegangen. Im März hatten Eltern einen Sternmarsch mit 40.000 Teilnehmern organisiert.
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