: Gut allein genügt nicht
Repräsentationskultur und politische Hilflosigkeit galore: Die „Austrian Psycho Nights“ in der Volksbühne erwiesen sich als das üblich hübsche, aber folgenlose Kulturspektakel
von JÖRG SUNDERMEIER
Die Volksbühne sieht sich gern als ein Ort der Dissidenz. Doch obwohl die „Austrian Psycho Nights“ ein politisches Statement von über fünfzig RepräsentantInnen der österreichischen Gegenkultur sein sollten, schien es auf den ersten und zweiten Blick wieder einmal, als sei auch dieses Festival nur das übliche Volksbühnen-Spektakel mit Studenten, Bier, Musik und dem coolen Feeling, irgendwie Pop und dagegen zu sein.
Dabei hatten sich die Organisatoren diesmal Mühe gegeben, es anders zu machen. Einen Zuschuss der österreichischen Botschaft für fünf Flüge funktionierten sie um und schafften möglichst viele KünstlerInnen per Bus herbei. Das nahm die Botschaft zum Anlass, die Unterstützung wieder zu entziehen (siehe taz von Samstag).
Zudem hatte das Organisationsteam Wert darauf gelegt, mit der linksradikalen Zeitung Jungle World zu arbeiten und aus ihrem Autorenkreis Diskutanten einzuladen. Und man verzichtete bei aller Kunst nicht auf zwei Podien, die im besten Fall eine Diskurshegemonie zur FPÖVP hätten erreichen können. Doch es kam anders: Grissemann und Stermann machten Witzchen, Hans Platzgumer und DSL machten Musik, das Trio Trans Alpin jodelte politisch, Schwabs „Volksvernichtung“ gab es auch. Das Politische wurde einfach an die Kunst angehängt. Die Akteure betonten, dass sie „bei uns so nicht mehr erwünscht“ seien, und machten dann Programm. Worin genau aber dieses „so“ bestand, wurde nicht geklärt. Wie die Darbietungen waren auch die Podien eher hilflos. Gegen eine – wie immer mit dem Schwergewicht seiner weltbekannten Borniertheit vorgetragenen – Radikalkritik der Veranstaltung durch Henryk M. Broder („Ihr seid die letzten Jahre auch gut mit dem Antisemitismus gefahren“ und „wer sich fördern lässt, kann nicht kritisieren“) konnten die Diskutanten nur eine flaue Verteidigung eines besseren Österreich vorbringen, das im blödesten Fall allein von ihnen repräsentiert wurde.
Auch das zweite Podium verlor sich in Poststrukturalismus, Eitelmännergeschwätz und Geschichtslosigkeit – Vergleiche Haider-Schröder oder die Kritik, hier würden nur Männer agieren, fielen unverhandelt vom Bühnenrand. Einzig das Filmprogramm im Grünen Salon mühte sich um einen geschichtlichen Rahmen und Widerstandsdokumentation.
So vermochte das für seine Sprayattacken bekannte Künstlerpaar Alexander Brener und Barbara Schurz nur kurz aufzuschrecken: In Ablehnung der bisherigen Veranstaltung, die sie als „reine Repräsentationskultur“ bezeichneten, beließen sie es nicht bei einem Vortrag, sondern griffen zur Spraydose und sprühten „Kung-Fu against FPÖVP“ und andere Parolen an die Wände. Diese Form des Widerstandes war dann nicht nur der Volksbühne (die zunächst sogar die Polizei rufen wollte) zu viel, nein, einer wurde tätlich gegen Schurz, indem er ihr seinerseits Farbe ins Gesicht sprühte.
Kurator Hofbauer sah sich nicht nur genötigt, der künstlerischen Aktion „Schmiererei“ vorzuwerfen und ihr damit den Kunstcharakter abzusprechen. Er verglich in einem Moment der Umnachtung das Künstlerpaar mit der FPÖ: Solche Aktionen seien Ausdruck nämlichen „Psychos“, um den es hier ginge. Der Einwand von Oliver Marchart, eine solche Aktion sei vorhersehbar gewesen, die Volksbühne häufe mit diesem Festival nicht wenig kulturelles Kapital an und müsse das aushalten („Wer sich Widerstand einlädt, muss ihn erdulden“), ging ins Leere.
An der Rechts-Links-Scheißegalhaltung und dem bürgerlichen Ressentiment gegen die Zerstörung von hehren Hallen (viele Anwesende klatschten bei den Angriffen auf das Künstlerpaar) zeigte sich, wer hier für wen arbeitet. Gut gemeint reicht halt nicht, bei wirklich politischen Handlungen hört Spaß auf. Keine Diskussionen, keine Antagonismen, man war gut für Gute. Kritik, wenn sie kam, störte eher.
So war diese Veranstaltung ein Misserfolg, doch vielleicht lag darin ihre Qualität: Man konnte sehen, wie uneins sich der österreichische Kulturwiderstand ist, wie wenig er sich auf Forderungen verständigt hat, die über ein kindliches „Regierung pfui“ hinaus gehen. Aber auch, wie sehr es den Beteiligten an einem Grundwissen von Demonstrationsformen und Dissidenz mangelt. Die Veranstaltung war so doof wie Rock gegen Rechts: Oberflächliche Spektakelhaftigkeit galore. Darüber hinaus entlarvte sie die Kritikunfähigkeit des Berliner Publikums. Dieses konsumierte, raunte kurz bei der Schändung der Volksbühne und blieb passiv.
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