: Kühler Spieler
Der italienische Regierungschef D`Alema hielt sich immer für den Fähigsten. Nach der Wahlniederlage hat selbst seine Partei kein Mitleid
Als „Journalist“ präsentiert er sich im Handbuch des Abgeordnetenhauses, doch Massimo D`Alema geht seit jeher einem anderen Beruf nach: dem des Politikers. Das Engagement war ihm in die Wiege gelegt; schon Vater Giuseppe D`Alema saß für die Kommunistische Partei im Parlament. Gerade 13-jährig, durfte der kleine Massimo 1962 auf dem Parteitag der KPI unter den Augen des mythischen Vorsitzenden Palmiro Togliatti die Grüße der Jungen Pioniere überbringen. Als Student – so rühmte er sich selbst kokett, bis er vor wenigen Jahren endgültig zum Staatsmann mutierte – hat er bei einer Demo in Pisa sogar einen Molli geworfen. Allerdings fand er schnell zurück in den Schoß der Kommunistischen Partei, wurde Fraktionschef im Stadtrat von Pisa und, mit 25 Jahren, Vorsitzender des Jugendverbandes.
Damit begann eine klassische Apparatkarriere: Parteivorsitz in Apulien, Leitung des Parteiblatts L’Unitá, Fraktionsvorsitz im Parlament, schließlich Leitung der Parteiorganisation als Vize des damaligen Vorsitzenden Achille Occhetto. Doch D`Alema fühlte sich nicht dazu ausersehen, die Rolle des zweiten Manns zu spielen. Alle, die ihn kennen, sagen ihm einen starken Überlegenheitskomplex nach, den festen Glauben an das eigene, unübertroffene strategische Geschick. Mit Occhetto zusammen zog D`Alema von 1989 bis 1991 die Abkehr der KPI vom Kommunismus und die Gründung der Demokratischen Linken durch. Als aber 1994 Silvio Berlusconi die Linke bei den Wahlen schlug, servierte D`Alema Occhetto kühl ab und übernahm selbst den Parteivorsitz. Ähnlich erging es D`Alemas Weggefährten Romano Prodi. Beide hatten das Wahlbündnis des „Ölbaums“ aus der Taufe gehoben und 1996 unter dem Spitzenkandidaten Prodi zum Sieg geführt. Doch erneut war D`Alema fest überzeugt, er könne den Job besser. 1998 hatte D`Alema sein Ziel erreicht, seinen persönlichen und politischen Traum realisiert: Erstmals in der Geschichte des Landes wurde ein Politiker aus der kommunistischen Tradition Regierungschef.
Auch wenn D`Alema in den letzten Jahren versuchte, seine sarkastisch-bissige Ader unter Kontrolle zu bringen: Er verlor nie den Appeal des intellektuell ebenso brillanten wie menschlich unnahbaren Apparatpolitikers. Auch das Menscheln half da wenig – das dosierte Kokettieren mit seinen privaten Leidenschaften als Hobbykoch, Freizeitsegler und fanatischer Gameboy-Spieler. D`Alema verstand Politik immer als kühles Schachspiel. Selbst in der eigenen Partei kann er kaum auf Mitleid rechnen, wenn er jetzt im Matt steht.
MICHAEL BRAUN
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