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„Ich wartete und schoss Fotos“

Alan Diaz, ein US-Fotograf kubanischer Abstammung, erlebte die Erstürmung im Haus des Großonkels von Elián. Er machte das Bild, das Emotionen entfachte

MIAMI ap ■ Als die Polizei das Anwesen des Großonkels von Elián González stürmte, konnte der freiberufliche Fotograf Alan Diaz (43) ins Haus. Hier sein Bericht.

„Sie sind hier!“, rief im Dunkeln ein Kameramann. Schon brach das Chaos los. Noch bevor die Beamten das Haus stürmten, sprang ich über den Zaun und rannte in das Haus. Dort schrien die Familienmitglieder aufgeregt. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. „Geh in den Raum“, rief einer und zeigte mir den Weg zu dem Zimmer, in dem Elián untergebracht war. Ich machte das Licht an, aber er war nicht da.

Ich klopfte an die Schlafzimmertür von Eliáns Großonkel Lazaro. Seine Frau Angela öffnete die Tür. Elián war in einem Kleiderschrank. Bei ihm war Donato Dalrymple, einer der beiden Fischer, die ihn am 25. November aus dem Meer gerettet hatten. Dalrymple hielt Elián in seinen Armen. Der Junge weinte und fragte die Erwachsenen: „Qué está pasando?“ (Was ist los?) „Nichts ist los, Kleiner. Alles wird in Ordnung kommen“, antwortete ich. Was hätte ich dem Kind auch sonst sagen sollen, dessen Schicksal ich jetzt schon seit fast fünf Monaten verfolgte.

In dieser Zeit habe ich eine besondere Beziehung zu der Familie González und dem Jungen aufgebaut, dessen Leben ich auf Film festhalte. Als die Erstürmung begann, tat ich, was ich immer getan habe: Ich schoss Fotos. Und ich fragte mich, was wohl passiert, wenn die Beamten mich entdecken, wie ich jeden ihrer Schritte festhalte?

Wir warteten. Angela beobachtete die Schlafzimmertür. 30 Sekunden vergingen. Die Beamten brachen die Tür auf und stürmten ins Zimmer. „Was ist los?“, fragte Elián wieder unter Tränen. „Zurück!“, riefen die Beamten. Einer der Polizisten mit Kampfanzug, Schutzbrille und Schnellfeuergewehr wandte sich direkt an Dalrymple, der Elián in den Armen hielt. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und machte weiter Fotos, als die Beamten den Jungen nahmen. Als sie den Raum verließen, wollte ich hinterher. „Zurück!“, schrie einer. Im Wohnzimmer hielten Beamte Lazaro fest, der schrie und zu dem Jungen wollte. Eine spanisch sprechende Beamtin nahm Elián, trug ihn in ein wartendes Auto. Die Tür schlug zu und der Wagen fuhr mit Elián davon.

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