: Das Volk bestimmt Bergedorf
Hamburgs erstes Bürgerbegehren entscheidet über Einkaufszentrum mit Zentralem Omnibusbahnhof, über „Rotunde“ und „Portal“ ■ Von Gernot Knödler
Morgen gibt es in Hamburg eine politische Premiere: Beim ersten Bürgerbegehren, das es seit Einführung der Volksgesetzgebung 1998 bis zum Bürgerentscheid gebracht hat, bestimmen die BergedorferInnen über die Zukunft ihres Stadtzentrums. Bezirksversammlung und Senat hatten nach langer Debatte die Hochtief Projektentwicklung mit der Planung eines Einkaufs- und Unterhaltungszentrums vor dem Bergedorfer Bahnhof betraut. Im Gegenzug soll der Inves-tor dem Stadtteil einen neuen Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) bauen. Die „Bürgerinitiative Bahnnhofsvorplatz Bergedorf“ (BBB) will Hochtief stoppen: Bevor ein Investor beauftragt werde, müsse ein Konzept für den Verkehr und den Städtebau in ganz Bergedorf erarbeitet werden.
Senat und Bezirksversammlung hoffen, mit Hilfe von Hochtief zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Zum einen würde aus der Betonwüste des heutigen Bahnhofsvorplatzes, der im wesentlichen aus dem ZOB besteht, eine „blühende Konsumlandschaft“. Zum anderen würden wieder mehr Leute nach Bergedorf zum Einkaufen kommen. Das Beste daran: Hamburg würde das Ganze, mit Ausnahme der Grundstücke, die es zur Verfügung stellen müsste, nichts kosten.
Nach den Plänen des Architekten Michael Dittmer würde Hochtief direkt vor die Gleise und Bahnsteige des S-Bahnhofs einen langgestreckten ZOB setzen, auf dessen Dach 260 Autos parken könnten. Vor den ZOB käme ein Riegel aus Bahnhofsgebäude und Häusern, die Platz für kleine Geschäfte bieten sollen. Vor dem Bahnhof entstünde ein kleiner Platz.
Auf der Südseite würde dieser von einem halbrunden Gebäude begrenzt, in das Restaurants einziehen sollen. Eine kreisförmige Brücke, „Rotunde“, verbindet es an zwei Stellen über die stark befahrene Bundesstraße 5 hinweg mit dem Südteil des Plangebiets.
Dort sollen ein Media-Markt sowie ein Spiel- und ein Sport-Fachmarkt einziehen, die viel Verkaufsfläche benötigen. Im Osten würde ein Multiplex-Kino samt Disco und Bowling-Bahn gebaut. Dahinter, jenseits eines kleinen Platzes, ein Schwimmbad. Westlich davon sitzt heute schon die Post. Daneben würde ein Parkhaus mit 1300 Plätzen gebaut.
Vielen der eingesessenen Einzelhändler ist dieses Parkhaus viel zu weit von der Fußgängerzone entfernt, in der sie residieren, und vor allem: Das Einkaufszentrum steht dazwischen. Es sei darauf hin konzipiert, die KundInnen in sich zu halten, argwöhnt Hendrik Penn-dorf, Geschäftsführer des gleichnamigen Modekaufhauses und prophezeit: „Die Leute werden nur im Einkaufszentrum kreisen.“
Hochtief und ihr Architekt dagegen behaupten, wegen seiner speziellen Mischung aus Märkten und Geschäften sei ihr Einkaufszentrum geradezu auf die Läden der Fußgängerzone angewiesen, um attraktiv zu sein. Die pittoreske Bergedorfer Innenstadt lade zum Bummeln ein. Auch werde das Einkaufszentrum die Innenstadt nicht erschlagen: Dafür sei es zu niedrig und zu kleinteilig konzipiert.
Durch das Einkaufszentrum – Arbeitstitel: Bergerdorfer Portal – führen mehrere öffentliche Wege. Rund die Hälfte ist solange geöffnet wie das Zentrum. Das Center-Management darf hier das Hausrecht ausüben, was der Politik des Senats widerspricht, keine Privatisierung öffentlicher Räume zuzulassen. „Wir schaffen neue Verbindungen“, hält der Architekt Michael Dittmer dagegen. Das Gebiet südlich der B5 sei heute nicht zugänglich. Nach seinem Konzept wird es dort eine Uferpromenade und einen Platz geben.
Die von der BBB als monströs kritisierte Rotunde schafft Dittmer zufolge lediglich zusätzliche Spazier-Verbindungen über die B5. Ihr Schöpfer charakterisiert sie als filigran, während ein frühes Flugblatt der Ini demonstriert, dass alle bedeutenden historischen Gebäude Bergedorf darin Aufnahme fänden.
Die Streitereien konnte selbst ein Mediator nicht schlichten, auch wenn man sich, sagen Architekt und Investor, sehr nahe gekommen sei. Sollten die Argumente der BBB am Donnerstag bei den BergedorferInnen besser ziehen, bliebe es trotzdem spannend: Denn der Senat könnte das Projekt an sich ziehen und gegen den Bürgerwillen durchdrücken.
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