: Die Richtung stimmt
Was ist los in deutschen Einbahnstraßen? In einigen dürfen Fahrradfahrer ganz legalgegen den Strom radeln, in anderen können sie ab 1. Mai zur Kasse gebeten werden
von UTE FRIEDRICHS
Wer mit dem Fahrrad durch Saarbrücken fährt, hat einen Freifahrtschein. Freie Fahrt auch in der Gegenrichtung von Einbahnstraßen. Nicht in allen, aber doch in vielen. Das wäre seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung von 1997 grundsätzlich in jeder Kommune möglich, doch Saarbrücken zählt in diesem Punkt nach wie vor zu den Vorbildern.
Und zusammen mit Bremen zu den Trendsettern, die schon vor 1997 ihren Radlern erlaubten, was anderswo immer noch verboten ist. Siegrid Schneider, Amtsleiterin im Ordnungsamt Saarbrücken, spricht mit Stolz von der Vorreiterrolle : „Saarbrücken startete das erste Projekt bundesweit. Das ging mit der Einführung von Tempo-30-Zonen einher, die etwa ab 1991 Zug um Zug in den Wohngebieten der Stadt eingerichtet wurden.“ Und bis heute könne von einer Unfallzunahme in Einbahnstraßen keine Rede sein. „Mit der gegenseitigen Rücksichtnahme klappt es sehr gut“, betont die Verkehrsexpertin.
Nicht zuletzt auf Grund der positiven Saarbrücker Erfahrungen wurde die legale Geisterfahrt für Radfahrer dann in die StVO eingefügt – allerdings nur als ein Versuch, der Ende dieses Jahres auslaufen soll. Und zudem dürfen die Zusatzschilder „Radfahrer frei“ nur am Anfang und am Ende von Einbahnstraßen aufgehängt werden, wenn diese mit „geringer Verkehrsbelastung“ ausgewiesen und einer Tempobeschränkung von höchstens 30 Stundenkilometern belegt sind.
Der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) feierte seinerzeit die StVO-Novelle als Schritt in die richtige Richtung. Doch auch er weiß: Beileibe nicht alle Städte zeigen Interesse an der Umsetzung. Jetzt, da sich der Test seinem offiziellen Ende nähert, sei kaum noch eine Stadt dafür zu gewinnen. Wolfgang Große, Bundesvorsitzender des ADFC, fordert insofern, den Probestatus in einen endgültigen Status umzuwandeln. „Schließlich musste in den letzten zwei Jahren keine Einbahnstraßenöffnung zurückgenommen werden auf Grund von Unfällen und Todesfällen. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit“, lautet sein Fazit.
Auch Siegrid Schneider meint, dass es „keinen Grund für eine Zurücknahme“ gebe. Sie hofft auf den Bund-Länder-Fachausschuss, der sich in diesem Jahr noch einmal mit der Versuchsmaßnahme befassen wird. „Wir gehen davon aus, dass auch andere Städte gute Erfahrungen mit dieser Regelung gemacht haben.“ So soll auch im Bundesverkehrsministerium derzeit über eine Verlängerung nachgedacht werden. Was allerdings bei genauerem Hinsehen erstaunt.
Denn im neuen Bußgeldkatalog, der ebenfalls aus dem Hause Klimmt stammt und am 1. Mai in Kraft treten wird, finden auch die Einbahnstraßen-Radler Erwähnung. So können ab übermorgen diejenigen unter den Bikern, die gegen den Strom fahren, mit 30 Mark zur Kasse gebeten werden. Selbstverständlich nur dann, wenn es sich um Einbahnstraßen handelt, die nicht unter die Versuchsregelung fallen. Versteht sich.
Doch Wolfgang Große ist empört. In einer Phase, „wo noch nichts entschieden ist, läuft das deutlich falsch“. Dass auch in Saarbrücken demnächst die Fahrradfahrer in Einbahnstraßen wieder falsch fahren, wenn sie aus der Gegenrichtung kommen, ist indes kaum zu erwarten. Selbst die jetzige Bußgelderhöhung hält Siegrid Schneider für „problematisch, da Radfahrer bekanntlich kein Nummernschild mitführen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen