: Die Sprüchemacher
Ein Besuch in der PR-Agentur, die Jürgen Rüttgers (CDU) zum Ministerpräsidenten machen soll
aus WiesbadenHEIKE HAARHOFF
So feudal wird das Auto selten abgestellt: das Beifahrerfenster dem Rhein zugewandt, vor der Windschutzscheibe eine hochherrschaftliche Villa inmitten einer Parklandschaft. Fehlt nur noch, dass der Gärtner um die Ecke biegt und höflich anfragt, ob er den Wagen der Gäste mit dem Schlauch abspritzen soll.
Bis zum Eingangsportal sind es wenige Schritte. Die Empfangsdame bittet, auf der Ledersitzecke unter Stuck und Kronleuchtern Platz zu nehmen. Die Halle ist angenehm temperiert und sehr ruhig. Drei Minuten später erscheint Volker Hoff, Jeans, Fliege, Jackett, um seinen Besuch persönlich in sein Geschäftsführerzimmer zu geleiten.
Ein sehr schöner Ort, pflichtet er bei, dieses ehemalige Stammhaus der Zementfirma Dyckerhoff in Wiesbaden, das seine Werbeagentur vor ein paar Jahren erworben hat, großzügig geschnitten, lichtdurchflutet, geschmackvoll eingerichtet, geradezu ideal „für Menschen wie uns, die ständig kreativ sein sollen, schnell arbeiten und im Zweifel improvisieren müssen“. Er füllt Flüssiggas in sein goldenes Feuerzeug nach und zündet sich eine Zigarette an.
Das jüngste Arbeitsergebnis aus Kreativität, Schnelligkeit und Improvisation ist im dritten Stock zu besichtigen. „Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung!“, droht es da in schwarzen Lettern von weißem Plakatgrund, und darunter, klein gedruckt in der äußersten rechten Ecke: „Die neue CDU im Westen“. Als Postkarte ist das Werk auch zu haben. Volker Hoffs Grafiker und Werbetexter, die hier oben sitzen, haben die Variationen auf ihren Festplatten gespeichert und lächeln, als sei es ein Verdienst, dass sie sich trotz des Rheinpanoramas vor den Fenstern ihren Blick fürs Provinzielle und Kleinmütige bewahrt haben. Der Einfachheit halber wird die Adressatin der Karte gleich mit ausgedruckt: „Die neue CDU im Westen, Wasserstraße 5, 40213 Düsseldorf“.
200 Kilometer liegen zwischen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt und Volker Hoffs Agentur in Wiesbaden. Und vermutlich hätte Jürgen Rüttgers, der Spitzenkandidat der CDU im Westen, der es in der Diskussion um Green Card und Anwerbung ausländischer Computerfachkräfte mit dem Spruch „Kinder statt Inder“ zu trauriger Berühmtheit brachte und nun mit einem ausländerfeindlichen Slogan die Landtagswahl am 14. Mai gewinnen will, eine Werbeagentur in kürzerer Entfernung finden können. Doch „Zoffel-Hoff-Partner“ bietet den Vorteil einer geistigen Nähe, die andernorts rar ist: Geschäftsführer Reiner Zoffel pflegt beste Kontakte zur Österreichischen Volkspartei, die mit der rechtsextremen FPÖ Jörg Haiders koaliert. Volker Hoff, der andere Agenturchef, ist im Nebenberuf Landtagsabgeordneter und medienpolitischer Sprecher der hessischen CDU. Die hat vor einem Jahr mit ihrer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl gewonnen und steht auch sonst hinter ihrem Ministerpräsidenten Roland Koch, der Lügen über Parteispenden schon mal zu Fehlern klein redet.
„Politik“, sagt Volker Hoff, „ist kein Waschmittel, da kommt es auf mehr an als nur auf die Verpackung.“ Und deswegen sei in seinem Geschäft nur erfolgreich, wer ganz eng dran ist an der Politik. So eng wie er: CDU-Bundestagswahlkampf 1994, CDU-Kommunalwahlkampf Nordrhein-Westfalen 1999, jetzt die Landtagswahl, demnächst wird er sich der Christdemokraten in Rheinland-Pfalz annehmen. Aufträge anderer Parteien sind für ihn tabu. Einer wie er kann sich das leisten.
Dass es so kommen würde, hat er vor neun Jahren nicht gedacht. Da gründete der gelernte Volkswirt „mit meinem Partner, einer Sekretärin, einem geleasten Computer und einem geleasten Auto“ die Agentur; „ich brauchte einfach ein berufliches Standbein“. 40 Angestellte hat die Firma mittlerweile; zwischen zehn und zwanzig Prozent des Jahresumsatzes werden mit politischer Kommunikation erzielt. „Alles zu marktüblichen Preisen, versteht sich“, betont Volker Hoff, darauf legt er großen Wert, die neue CDU steht schließlich für Transparenz.
Die Unterschriftenaktion der Hessen-CDU bewundert Hoff
Selbst dann, wenn sie, wie im Hessen-Wahlkampf, Hoffs Agentur mit einem Radiospot für das Buch „Vision 21“ des hessischen Ministerpräsidenten beauftragt und hinterher erklärt, der Verlag habe die Werbung bezahlt.
Imageschädigend, Volker Hoff runzelt die Stirn, sei an seinen Kampagnen nichts, und an der für seinen Parteifreund Jürgen Rüttgers gar nichts. Oder hätten seit dem Anti-Einwanderungs-Plakat die Mainzer Rhein-Zeitung, die Lufthansa Air Plus, der regionale Vertreter von DaimlerChrysler, das Staatstheater Wiesbaden, die Salzburger Festspiele, hätte also nur ein einziger seiner anderen Kunden ihm etwa mit Kündigung gedroht? Na bitte.
Es wäre ja auch absurd, findet er. Wer Rüttgers kenne, wisse: „Bevor er den Mund aufmacht, denkt er lieber zweimal nach.“ Über Sätze wie „Kinder statt Inder“ beispielsweise. Wer mit Rüttgers arbeite, sehe: „Er lässt die Menschen nicht allein mit ihren Gedanken.“ Er lenkt sie lieber. Reime prägen sich besonders gut ein. „Zukunft ist auch menschlich“ – unter dieses Motto hat Volker Hoff die Kampagne für Jürgen Rüttgers gestellt. Er sagt: „Es ist ihm auf den Leib zugeschneidert.“
Bei Neueinstellungen verlangt Volker Hoff zwar nicht das CDU-Parteibuch, weist die Bewerber aber darauf hin, dass in der Agentur für die Christdemokraten gearbeitet wird. Soll bloß niemand sagen, er habe nicht gewusst, worauf er sich einlässt.
Und so wird ohne Murren umgesetzt, was Volker Hoff, Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers sowie CDU-Fraktionschef und -Generalsekretär aus Nordrhein-Westfalen bei ihren zuweilen wöchentlichen Strategietreffen in Düsseldorf „in kreativer Atmosphäre“ beschließen. Politischer Streit sei selten, sagt Volker Hoff, und dann erinnert er sich doch an eine größere Auseinandersetzung: „Jürgen Rüttgers hat einen Hang zu Swatch-Uhren, die ich nie tragen würde!“
Das Wiesbadener Werbeteam ist motiviert, und es ist jung: Der Altersdurchschnitt liegt bei 30 Jahren, Volker Hoff ist mit 42 der Älteste. Widerspruch gegen die Kampagne habe es nicht gegeben, „nicht einmal von unseren Mitarbeitern aus Polen, Russland oder den Philippinen“, behauptet Volker Hoff und grinst triumphierend: „Also, Inder haben wir hier nicht, aber die anderen können Sie ruhig alle fragen, alle werden Ihnen bestätigen, dass es null Integration bringt, die geistige Elite aus dem Ausland für ein paar Jahre nach Deutschland zu holen und dann wieder wegzuschicken.“
Dass die Postkartenforderung eine andere Botschaft vermittelt, schert ihn nicht. Volker Hoffs wichtigste Erkenntnis: „Eine Werbekampagne muss Tabus brechen dürfen.“ Das habe er aus der Unterschriftenkampagne in Hessen gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gelernt. Und er bemerkt, fast wehmütig, dass er damals als hessischer CDU-Abgeordneter den Wahlkampf lieber einer anderen Agentur überließ: „Der war so erfolgreich.“
Seitdem gibt es keine Grenzen mehr. Zum Glück, findet Volker Hoff, denn es gab Zeiten, da ihm schlicht nichts mehr einfiel: „Wir standen ja so ein bisschen fassungslos da“, erzählt er, damals, im vergangenen Winter, als täglich neue Details über schwarze CDU-Konten öffentlich wurden. Die Agentur hatte längst den Auftrag übernommen, den Wahlkampf für die CDU in Nordrhein-Westfalen zu managen. Absagen war unmöglich, und der Druck enorm. „Wenn Sie als Agentur ein paar Wahlen nacheinander verlieren, haben Sie ein Problem.“ Das gilt generell. Er aber litt unter Schwierigkeiten, die es so noch nicht gegeben hatte. „Wir sollten irgendwie deutlich machen, dass die CDU in Düsseldorf mit dem ganzen Schlamassel nichts zu tun hat.“ Bloß wie?
Sicher, es gab die üblichen Entwürfe, wie ein Spitzenkandidat am besten daherkommt: hemdsärmelig, ohne Schlips, volksnah eben, mal in einer Gruppe von Menschen, mal an der Seite seiner Frau, die dann verkündet: „Ich habe mich schon entschieden.“
Am „Kinder statt Inder“-Reim sind die Medien schuld
Sicher, da war der Internet-Auftritt: die Daily Soap mit Jürgen Rüttgers, eine ganz neue Form der tagesaktuellen Berichterstattung nach CDU-Geschmack, in der zu verfolgen ist, wie der Wahlkämpfende sich bei Bieranstichen, Senioren- oder Kinderfesten amüsieren muss. Und schließlich, „ja sicher, ganz wichtig, unsere augenzwinkernden Gagplakate“ wie das zum Thema Ökosteuer: ein zigarrenrauchender, zufrieden lächelnder Bundeskanzler ist da abgebildet, Untertitel: „Benzin: 2 Mark. Wie war ich, Doris?“
Aber würde das zum Erfolg reichen? Volker Hoff erinnert, dass er 40 Angestellte und 5 Auszubildende hat, und man ist versucht, in der Hosentasche nachzufühlen, ob da nicht noch ne Mark ist.
Da, endlich, kam im Frühjahr die Computermesse Cebit, der Tag, an dem „der Bundeskanzler uns den Ball vor die Füße gespielt hat“. Denn dass die Sache mit der Green Card für ausländische Computerfachkräfte, insbesondere aus Indien, „irgendwie unausgegoren“ war, „dass wir also irgendwas daraus machen müssten“, das hätten „der Jürgen Rüttgers und ich sofort gemerkt“.
Leider waren sie nicht zur selben Zeit am selben Ort. Und so konnte geschehen, was geschah, dass nämlich die Nachrichtenagenturen Jürgen Rüttgers, von dem Volker Hoff sagt, dass „er ein sehr gewissenhafter Mensch ist“, mit der Aussage „Kinder statt Inder“ zitierten. Die Aufregung war selbst innerhalb der CDU plötzlich groß. Abgesprochen war der hässliche Reim mit niemandem, auch Volker Hoff geht auf Distanz, „von mir stammt der Satz nicht“. Dann sagt er, dass die Medien Schuld tragen. Die Stimme wird streng, die Augen blicken vorwurfsvoll. Die Medien hätten Jürgen Rüttgers „verkürzt“ wiedergegeben. Und er, Hoff, könne das doch am besten beurteilen: Er kenne Rüttgers seit Jahren, er wisse, wie bedächtig er sei. Mit dem Spruch „Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung“ habe man alle anderen, falschen Eindrücke aber zurechtrücken können, das Plakat sei differenzierter, sagt er, stutzt plötzlich wie über sich selbst. Ein Gedanke durchzuckt ihn, viel zu schade für die Zeitung, besser aufgehoben wäre er auf einem Plakat. Aber es ist zu spät. Schon prustet es aus ihm heraus: „Denn dass der Rüttgers nichts gegen Inder hat, sehen Sie doch schon daran, dass er im Internet seine Delhi Soap macht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen