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„Katastrophe für NRW“

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn nimmt Spekulationen um eine sozialliberale Koalition in Düsseldorf „sehr ernst“ und warnt vor den bundespolitische Folgen

Interview: ANDREAS WYPUTTA

taz: Frau Höhn, wie ernst nehmen Sie die Spekulationen über eine sozialliberale Koalition in Nordrhein-Westfalen?

Höhn: Ich nehme diese Dinge sehr ernst, schließlich äußert Herr Clement seine Sympathie für die FDP schon seit Wochen. Wir warten bis heute auf ein eindeutiges Dementi. Clement hat zwar gesagt, er wolle zunächst mit den Grünen reden. Aber was heißt zunächst? Da sind Gespräche mit der FDP bereits eingeplant.

Welche Folgen hat eine rot-gelbe Koalition in NRW?

Wir sind die einzige Partei, die sich für Naturschutz, für Umweltschutz, für Verbraucherschutzinteressen einsetzt. Alle anderen betreiben eine Politik zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Eine Clement-Möllemann-Koalition wäre eine Katastrophe für unser Land.

Hätte eine sozial-liberale Koalition in NRW auch Konsequenzen für die Bundespolitik?

Sicher. Die rot-grüne Koalition in NRW hat die Wende im Bund mit angestoßen. Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen setzen auch bundespolitische Trends. Eine Clement-Möllemann-Koalition hier im Land wäre nicht gut für das Klima der Koalition auf Bundesebene und könnte mittelfristig auch dort durchaus Konsequenzen haben.

Wie könnten diese Konsequenzen aussehen?

Die entscheidende Frage lautet doch: Ist das vor knapp zwei Jahren begonnene rot-grüne Reformprojekt im Bund nur eine Episode? Kommt es zu einem Abbruch oder hat das rot-grüne Reformprojekt eine längerfristige Chance? Die Grünen stehen für den Atomausstieg. Wer den Ausstieg will, muss Rot-Grün in NRW bestätigen. Die Landtagswahl hier in NRW ist in jedem Fall eine Richtungswahl.

Die FDP nähert sich auch im Bund der SPD auffällig an. Der liberale Generalsekretär Guido Westerwelle hat bereits jede Stimme für die CDU in NRW als verschenkt bezeichnet. Wie interpretieren Sie das?

Es gibt in der Tat Diskussionen in der FDP. Nicht nur Westerwelle, auch Lambsdorff und viele andere Liberale wollen sich alle Optionen offen halten. Interessanterweise sind wir Grünen die Einzigen, die sich eindeutig festgelegt haben, die den Wählerinnen und Wählern sagen, welchen Koalitionspartner sie sich wünschen und welche Politik sie in den nächsten Jahren machen wollen. Alle anderen taktieren.

Deutet sich die sozial-liberale Koalition nicht nur in NRW, sondern auch im Bund an?

Das hängt von der Landtagswahl hier in Nordrhein-Westfalen ab. Je besser unser Wahlergebnis hier in NRW ausfällt, desto stabiler sind die Chancen für die rot-grüne Koalition im Bund.

Hat auch Kanzler Schröder in Berlin für eine sozial-liberale Koalition vorgesorgt?

Die SPD versucht, die Grünen auch im Bund über die FDP unter Druck zu setzen. Jeder, der die Grünen stärken will, muss sehen, dass die SPD versucht, sich alle Optionen offen zu halten. Das ist eine eindeutige Taktik.

Warum schneiden die nordrhein-westfälischen Grünen bei den Umfragen so schlecht ab? Hätte sich die Partei stärker gegenüber der SPD profilieren müssen?

Wir haben hart verhandelt und haben unsere Inhalte umgesetzt. Das ist doch auch der Grund, weshalb es Clement zur FDP zieht.

Als Grund für Clements Flirt mit den Liberalen werden auch immer persönliche Spannungen zwischen Ihnen und dem Ministerpräsidenten genannt. Gibt es sachliche Gründe für diese Differenzen?

Clement und ich personifizieren den klassischen Konflikt zwischen traditioneller SPD-Wirtschaftspolitik und grüner Wirtschafts- und Umweltpolitik. Die Konfliktpunkte unserer Koalition lagen nun einmal in den Bereichen der Verkehrs- und Energiepolitik. Und diese Konflikte werden zwischen dem Wirtschaftsministerium, das Clement bis 1998 geleitet hat, und meinem Ministerium ausgetragen. Davon haben wir einige gelöst, und bei anderen müssen wir auch in Zukunft ringen.

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