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Kurzer Prozess

Ex-Asylamtsleiter werden Kontakte zur kolumbianischen Guerilla (ELN) vorgeworfen

BERLIN taz ■ Otto Schily sprach von einer „Sonderaufgabe“. „Abschiebehaft“ nannten andere den neuen Job des ehemaligen Leiters des Nürnberger Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Hans Georg Dusch. Überraschend hatte der Bundesinnenminister ihn im Dezember aus der Leitung des Bundesamtes abberufen. Seither analysierte der 63-Jährige in der Berliner Zentrale die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Gestern verabschiedete ihn Schily offiziell in den Ruhestand. Dusch war über seine Kontakte zur kolumbianischen Guerilla gestolpert. Er soll Mitglieder des Nationalen Befreiungsheeres (ELN) in seiner Dienststelle empfangen und ihnen im Frühjahr 1999 bei der rheinland-pfälzischen Ausländerbehörde eine Sonderaufenthaltsgenehmigung beschafft haben – ein Gefallen für seinen alten Freund, Privatdetektiv und Geheimdienstagent Werner Mauss.

Die beiden kennen sich noch aus der Zeit, als Dusch Büroleiter des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU) war. Kohls Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer (CDU) hatte Maus zu vielfältigen Gelegenheiten eingesetzt. Seit Mitte der 80er-Jahre betätigte Mauss sich als Vermittler im kolumbianischen Bürgerkrieg und unterhielt enge Kontakte zur Guerillatruppe ELN, die allein 1997 knapp 100 Millionen Dollar mit Entführungen verdient haben soll. Rot-Grün legte keinen Wert auf seine Dienste.

Mauss bestreitet die Vorwürfe. Aber das Innenministerium leitete laut Spiegel bereits im Herbst disziplinarische Vorermittlungen gegen Dusch ein.

Weil Schily ihn Anfang Dezember ohne Angabe von Gründen abgesetzt hatte, war zunächst über politische Differenzen zwischen dem konservativen Beamten und seinem sozialdemokratischen Chef spekuliert worden. Schily-Vorgänger Manfred Kanther (CDU) hatte den Hardliner Dusch 1996 nach Nürnberg beordert – in der Erwartung, dass die Anerkennungsquote unter seiner Leitung deutlich sinke. Tatsächlich erreichte sie 1999 einen Tiefstand von 3,2 Prozent. In die Kritik war Dusch auch geraten, weil er den Rückstau von Asylverfahren durch Mehrarbeit der Bediensteten abbauen wollte. Bündnis 90/Die Grünen und die Gewerkschaft ÖTV warfen ihm daraufhin vor, Asylverfahren ohne Rücksicht auf ihre Qualität zu beschleunigen. Prompt hatte die Union nach der Abberufung Auskunft von Schily verlangt. Als dieser im Innenausschuss des Bundestages erläuterte, dass es sich um eine Disziplinarsache handele, strichen die Parteien den Fall einvernehmlich von der Tagesordnung. „Kein Kommentar“, hieß es auch im Ministerium. NICOLE MASCHLER

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