Geheime Lottogelder für den Kulturetat

Der Stiftungsrat bewilligt den Opernhäusern 6 Millionen Mark, veröffentlicht diese aber nicht – obwohl er rechtlich dazu verpflichtet ist. Die Mittel sollen den Musiktheatern auch nicht zugute kommen: Der Kultursenator will damit andere Löcher in seinem Haushalt stopfen

Kultursenator Christoph Stölzl (parteilos) erhält mehr Lottogelder als bislang bekannt. Wie Lotto-Direktor Hans-Georg Wieck der taz auf Anfrage bestätigte, hat der Stiftungsrat auf seiner letzten Sitzung den drei Opernhäusern zusammen knapp 6 Millionen Mark für ihre nächsten Neuinszenierungen bewilligt. Im Gegensatz zum üblichen Prozedere wurden diese aber noch nicht veröffentlicht.

Das Geld kommt den Musiktheatern aber nicht zugute. Stölzl will die Subventionen um den gleichen Betrag senken und damit andere Löcher im Kulturetat stopfen. „Das Geld dient nicht dazu, die Tarifsteigerungen oder die Defizite der Opern auszugleichen“, so seine Sprecherin.

Genau das hatte die Kulturverwaltung den Häusern aber versprochen. Sie hatte die Theater kurz vor der entscheidenden Sitzung dazu aufgefordert, die wegen gestiegener Gehälter nötigen Gelder bei der Lottostiftung zu beantragen und diese Anträge mit den anstehenden Neuinszenierungen zu begründen: Mozarts „Don Giovanni“ und Verdis „Macbeth“ an der Staatsoper (2,0 Millionen Mark), Janaceks „Das schlaue Füchslein“ und Verdis „Luisa Miller“ an der Deutschen Oper (1,9 Millionen), Lehárs „Lustige Witwe“ und Webers „Freischütz“ an der Komischen Oper (1,6 Millionen).

Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin ist gesetzlich verpflichtet, dem Abgeordnetenhaus eine „Nachweisung über die Verteilung der Mittel“ vorzulegen. In der Liste der bewilligten Gelder, die nach der letzten Sitzung des Stiftungsrats verbreitet wurde, sind die genannten Beträge aber nicht enthalten. Zur Begründung sagte Stiftungschef Wieck, die Unterlagen aus den Opernhäusern seien nicht detailliert genug gewesen. Deshalb habe der Stiftungsrat nur eine „Grundsatzentscheidung“ getroffen, die erst nach Eingang der fehlenden Kalkulationen veröffentlicht werden solle.

Die Theater weisen diese Darstellung entschieden zurück. „Wir haben die Anträge ordnungsgemäß gestellt“, sagte der geschäftsführende Direktor der Deutschen Oper, André Schmitz, gestern der taz. „Sehr erstaunt“ zeigte sich Schmitz auch über die Absicht der Kulturverwaltung, die Subventionen entsprechend zu kürzen: „Uns ist zugesichert worden, dass wir aus den Lottomitteln die Tarifsteigerung finanzieren können.“

Auch der geschäftsführende Direktor der Staatsoper, Georg Vierthaler, hat von den angeblich fehlenden Unterlagen noch nichts gehört: „Wir wurden nach der Sitzung nicht mehr gebeten, noch irgendetwas nachzureichen.“ Es sei ein „politisch brisantes Schelmenstück“, Gelder für die Opernhäuser zu beantragen, die dort gar nicht verwendet würden. Der Intendant der Komischen Oper, Albert Kost, wollte sich gestern nicht zu den Lotto-Beschlüssen äußern.

Insgesamt hat der Stiftungsrat auf seiner Sitzung am 19. April so viel Geld verteilt wie noch nie, nach der offiziellen Liste waren es 87,7 Millionen Mark. Bereits von dieser Summe gingen 45 Millionen Mark an Stölzls Ressort, davon waren 14 Millionen ausdrücklich für das Stopfen von Haushaltslöchern vorgesehen. Stiftungsdirektor Wieck versicherte jedoch, außer den Operngeldern und einem Betrag von 734.000 Mark für die Sanierung des Löwenpalais an der Koenigsallee lägen im Kulturbereich keine unveröffentlichten „Grundsatzentscheidungen“ vor.

RALPH BOLLMANN