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Vorwärts zum Sparmanöver

Die Bundeswehr ist Kunde, und der weiß ganz genau, wie er sein Geld ausgibt: „Der Beste kriegt den Auftrag“

aus Berlin NICOLE MASCHLER

„Wer Angst hat vor Veränderungen, macht sich zum Konkursverwalter des Bestehenden.“ Und verwaltet hat die Bundeswehr aus Sicht von Verteidigungsminister Scharping (SPD) lange genug – die Mängel nämlich. Durch enge Kooperation mit der Wirtschaft und Modernisierung der Verwaltung will Scharping die Betriebskosten um 1,5 Milliarden Mark drücken – und damit rund zehn Prozent der 13 Milliarden Mark pro Jahr sparen. Testen will Scharping die Privatisierungspläne nun in 14 Pilotprojekten, für die er gestern auf der Konferenz „Zukunft gestalten“ in Berlin vor 600 Wirtschaftsvertretern den Startschuss gab.

Alles, was nicht zu den „militärischen Kernaufgaben“ der Bundeswehr gehört, kann künftig in Zusammenarbeit mit Privatfirmen erledigt werden. Fahrzeuge, Computer und Telefone sollen geleast und selbst der Betrieb der Simulationstechnik im Gefechtsübungszentrum Altmark künftig von Privaten erledigt werden. Das Ziel: den Aufwand an Verwaltung und Kapital zu senken. Bereits im vergangenen Dezember hatten Bundeskanzler, Verteidigungsminister und Wirtschaftsunternehmen einen entsprechenden Rahmenvertrag unterzeichnet.

Noch im Mai will Scharping neue Vorschriften für die Bereiche Entwicklung und Beschaffung erlassen. „Ich glaube nicht, dass es die Funktionsfähigkeit eines Diskettenlaufwerks erhöht, wenn es militarisiert wird.“ Eine privatrechtlich organisierte Agentur mit Sitz in Bonn soll das Ministerium beraten, ein betriebswirtschaftliches Controlling leisten und die verschiedenen Kooperationsprojekte von Bundeswehr und Wirtschaft steuern. Die „Agentur für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb“ werde in den nächsten Tagen als GmbH angemeldet und zum 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen. Geschäftsführerin wird Berlins ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), Aufsichtsratschef der frühere Mercedes-Manager Helmut Werner. Mit dem eingesparten Geld will Scharping seine Truppe modernisieren. Die „neuen Spielräume für Investitionen“ seien bereits mit dem Finanzminister abgestimmt – alles im Rahmen der Haushaltsordnung.

Das Outsourcing dürfte bei den 132.000 zivilen Mitarbeitern bald zu Personaleinsparungen führen. Der Verteidigungsminister legt jedoch Wert auf „Sozialverträglichkeit“. 30.000 Zivilisten gehen in den nächsten zehn Jahren in Ruhestand – genug Spielraum, um auch ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen. Überhaupt sind Rudolf Scharping und Gerhard Schröder bemüht, nicht am Selbstverständnis der Truppe zu rütteln. Der Sorge seiner Mannen, dass ur-militärische Bereiche einfach ausgelagert werden, begegnet Scharping schon in der Wortwahl. Von „strategischer Partnerschaft“ mit der Wirtschaft ist da die Rede, und auch der Kanzler betont, dass es keine Reform gegen die Angehörigen der Bundeswehr geben werde.

„Ich empfinde die Tagung als Durchbruch, als entscheidenden Eckpfeiler für die Bundeswehr der Zukunft“, so Scharping gestern. Diese Kooperation sei ein „Meilenstein“ im Bemühen um eine zukunftsfähige Bundeswehr, assistierte Gastredner Gerhard Schröder. Die Streitkräfte stünden vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Noch vor dem Sommer wolle die Bundesregierung die Strukturreform beschließen, so der Kanzler.

Doch nicht bei allen Betroffenen dürften Scharpings Pläne auf Begeisterung stoßen. Rüstungsunternehmen können bald nicht mehr damit rechnen, dass der Bund sich an den Entwicklungskosten für neue Waffensysteme beteiligt. Die Bundeswehr ist Kunde, und der hat genaue Vorstellungen, wie er sein Geld ausgibt: „Der Beste kriegt den Auftrag.“

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