: Gab die SED dem Klassenfeind Geld?
Die Vermutungen verdichten sich: Ex-Kanzler Kohl hielt munter die Hand auf und bekam Millionen von der DDR und Siemens. Eine Durchsuchung bei Kohl wurde unterbunden. Natürlich hagelt es Dementis
BERLIN taz ■ Eine der ominösen Spenderinnen von Millionenbeträgen an die CDU war möglicherweise die ehemalige DDR-Regierung. In den vergangenen Tagen haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass Kohl Gelder aus dem früheren SED-Vermögen erhalten hat.
In ihrem persönlichen Votum zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Kommerzielle Koordination“ aus dem Jahr 1994 hatte die damalige Bundestagsabgeordnete von B’ 90, Ingrid Köppe, Indizien dafür aufgelistet. In ihrem inzwischen als geheim eingestuften Bericht referiert sie, dass die Firma Siemens illegal Hochtechnologie an die DDR geliefert habe. Das Kanzleramt habe von einem Überläufer davon erfahren, die Information jedoch nicht an die Staatsanwaltschaft gegeben, sondern Siemens gewarnt. Kohl soll von dem Vorgang gewusst haben.
Diese Episode legt nahe, dass eine der Spenderinnen an die CDU die Firma Siemens war. Das hat auch der CDU-Generalbevollmächtige Lüthje so ausgesagt. Eine andere Spenderin könnte die DDR-Regierung gewesen sein – als Dank dafür, dass die Regierung bei den verbotenen Geschäften mit Siemens ein Auge zudrückte. Außerdem könnten auch Provisionen im Zusammenhang mit dem Milliardenkredit an die DDR an Kohl geflossen sein.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete gestern ein weiteres Detail, das in dieselbe Richtung weist: Der Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft, Nemetz, soll im Februar dieses Jahres von einer Mitarbeiterin des Bundesnachrichtendienstes aufgesucht worden sein. Sie habe berichtet, dass nach der Wende 500 Millionen Mark an SED-Geldern über Ungarn an Bundeskanzler Kohl geflossen seien. Bei den Spenden, deren Herkunft Kohl nicht verraten wolle, handle es sich um eben diese in Ungarn gewaschenen SED-Gelder. Kohl reagierte prompt: Dieser Bericht sei „völlig absurd“. Ein Sprecher von Kohl sagte gestern, es sei, „ein weiter Versuch, das Ansehen von Dr. Helmut Kohl herabzuwürdigen“.
Die Süddeutsche hatte gestern auch berichtet, dass die Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft „von hohen Stellen in der bayerischen Justiz“ beeinflusst worden seien. Unter anderem sei ein Antrag auf Hausdurchsuchung bei Altbundeskanzler Helmut Kohl vom November 1999 einfach für ungültig erklärt worden. Wer dies veranlasste, ist noch unklar.
Außerdem habe es Versuche gegeben, die Ermittlungen gegen den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, gegen den Waffenhändler Karlheinz Schreiber und gegen den ehemaligen Verfassungsschutzpräsident und Ex-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Holger Pfahls, gemäß dem Wohnortprinzip auf mehrere Staatsanwaltschaften zu verteilen. Dies hätte eine Verzögerung von bis zu zwei Jahren mit sich gebracht – bei ohnehin schon von der Verjährung bedrohten Ermittlungen. Bei dem Verfahren gegen Kiep sei sogar versucht worden, es ganz einzustellen.
Das gelang nicht. Doch aus der Beschuldigung der Steuerhinterziehung wurde nur noch eine Anklage wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung von Schreiber.
Aber natürlich war alles angeblich doch wieder einmal nicht so, wie es nun veröffentlicht wird: Die Augsburger Staatsanwaltschaft dementiert, bei den Ermittlungen behindert worden zu sein. Es sei „völliger Quatsch“, so der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz, dass eine geplante Hausdurchsuchung bei Kohl unterbunden worden sei. Eine Durchsuchung bei Kohl sei nie beabsichtigt oder beantragt gewesen. Wie aber kam es dann zu dem Antrag, der in den Handakten mit dickem Stift durchgestrichen wurde?
Der für das Verfahren ursprünglich zuständige Staatsanwalt Winfried Maier, der seit dem 1. April Richter am Oberlandesgericht München ist, hatte vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages öffentlich nichts dazu sagen wollen, ob seine Arbeit „von oben“ beeinflusst worden ist oder nicht.
Im nicht öffentlichen Teil berichtete er aber, er hätte die Handakten, auf die sich die Berichterstattung nun bezieht, schon für den Ausschuss kopiert gehabt. Dann sei er aber darauf hingewiesen worden, dass sie nicht im Beweisantrag erfasst seien und sowieso nur interne Dienstabläufe dokumentierten. Daraufhin konnte Meier dem Ausschuss die Handvermerke nicht zukommen lassen. Erst nach heftigem Fordern des Berliner Untersuchungsausschusses und einem offiziellen Beschluss der Parlamentarier waren die Bayern bereit, die Handvermerke zur Verfügung zu stellen – Monate später. Hätte Meier in seiner Vernehmung im Ausschuss den Begriff „Handvermerke“ nicht fallen lassen, hätten die Parlamentarier von deren Existenz sowieso nichts gewusst. Denn auf der von der Augsburger Staatsanwaltschaft angefertigten Liste über die vorhanden Akten waren keinerlei Handvermerke aufgeführt.
„Es ist offensichtlich versucht worden zu verschleiern, dass es die Handvermerke gibt und dass sie brisante Informationen für den Untersuchungsausschuss beinhalten“, sagte das Grünen-Ausschussmitglied Claudia Roth zur taz. Sie will in der Konsequenz nun nicht mehr nur die Staatsanwaltschaft Augsburg vor dem Untersuchungsausschuss befragen, sondern auch den zuständigen Generalstaatsanwalt und die drei im Laufe der Ermittlungen verantwortlichen bayerischen Justizminister Hermann Leeb, Alfred Sauter und Manfred Weiß.
Vielleicht lässt sich dann ja auch klären, wieso die angeblich nur aus internen Dienstabläufen bestehenden Handvermerke mit dem „VS-Geheim“- Stempel versehen und als geheime Verschlusssache eingestuft worden sind. KARIN NINK TINA STADLMAYER
Hinweis:Der für das Verfahren ursprünglich vorgesehene Staatsanwalt Winfried Maier wurde rasch Richter. Dem Untersuchungsausschuss mochte er allerdings nicht sagen, ob er „von oben“ beeinflusst wurde
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