: Erst das Durchwursteln, dann die Reform
Kultursenator Christoph Stölzl präsentiert den Abgeordneten seine Pläne für die nahe und ferne Zukunft
Mit zusätzlichem Geld vom Bund, langfristigen Reformen und kurzfristigen Haushaltstricks will der neue Kultursenator Christoph Stölzl (parteilos) die Berliner Kulturlandschaft über die nächsten Jahre retten. In der Wahl der Mittel wolle er dabei „pragmatisch sein“, sagte Stölzl in seiner ersten programmatischen Rede vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses.
Zu diesen „originellen Finanzierungsystemen“ zählte der Senator ausdrücklich auch das umstrittene Jonglieren mit Lottogeldern, das Staatsrechtler für haushaltsrechtlich „sehr zweifelhaft“ halten (siehe Interview). Stölzl sagte, Einsparungen könnten „erst am Ende des Reformprozesses stehen“. Bis dahin – also mindestens für die Haushaltsjahre 2000 und 2001 – bat Stölzl die Finanzpolitiker, „von jeder Zahlenorthodoxie abzusehen“. Zu den Lottomitteln habe es „keine Alternative“ gegeben. „Das kann man als Sündenfall sehen“, räumte Stölzl ein. Er selbst ziehe die Bezeichnung „Learning by doing“ vor.
„Einen weiteren Crash“ wie die Schließung des Schiller Theaters 1993 will Stölzl unbedingt vermeiden. Er bezog diese Zusicherung aber ausdrücklich nicht auf den Erhalt selbständiger Ensembles, sondern lediglich auf „die Erhaltung der Gehäuse“. Das gelte vor allem für die „Opernfrage“. Mit welchen Kooperationsmodellen oder Gesellschaftsformen diese Spielstätten betrieben würden, sei keine Frage des Prinzips, sondern „eine Frage der Klugheit“.
Stölzl sprach sich gegen betriebsbedingte Kündigungen bei den Bühnen aus, forderte dafür aber ein Entgegenkommen der Gewerkschaften: „Es muss von der Arbeitnehmerseite den Willen geben, die Häuser zu retten.“ Mit einem Abfindungsfonds will Stölzl den Abbau von zunächst 179 Stellen beschleunigen.
Gleichzeitig bekräftigte Stölzl seinen Wunsch nach einem stärkeren Engagement des Bundes in Berlin. Er trug ihn aber nicht im fordernden Tonfall anderer Landespolitiker vor, denen der neue Senator an Eloquenz und Unterhaltungswert ohnehin weit überlegen ist. „Kulturpolitik in Berlin ist immer zugleich Bundespolitik“, sagte Stölzl. „Solange noch keine Goldader unter dem Kreuzberg freigeschaufelt worden ist, wird diese ein konstruktives Feilschen sein.“ RALPH BOLLMANN
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